„Wir hatten das Gefühl, jetzt ist die Zeit, einfach mal etwas auszuprobieren.“
Ein eigenes Unternehmen, ein Magazin oder endlich das eigene Café – der Gründertraum erlebt momentan ein Hochgefühl. In Berlin gehört ein Start-Up bereits zum guten Ton, doch auch andere Städte ziehen nach, um die jungen Wilden in ihre neu erbauten Coworking Spaces oder Innovation Hubs zu locken. Spendendaufforderungen von Startnext-Ideen erreichen unseren Aufmerksamkeitshorizont inzwischen regelmäßiger als Online-Petitionen. Und da sitzen wir nun vor dem PC und überlegen, ob das Praktikum bei der Unternehemensberatung nicht doch viel zu langweilig ist und man nicht auch lieber was gründen sollte. Wenn nicht jetzt – so jung und frei – wann dann?
Doch was bedeutet es eigentlich, etwas zu gründen? Was kommt nach der Idee? Im Rahmen unserer Themenwoche „Zukunft“ haben wir bei jungen Gründern nachgefragt, wie sie angefangen haben, worauf es bei der Gründung ankommt und welchen Rat sie Anderen geben, die ihren Traum verwirklichen wollen.
Heute sprechen wir mit Phillippe, Gründer der App Joidy. Er und seine Kollegen leben und arbeiten in Berlin. Die App startet im Dezember 2015.
Phillippe, Ihr startet demnächst eure App Joidy, eine digitale Geschenke-App. Woher stammt die Idee?
Die Grundidee zum Thema Joidy kam uns vor ca. einem Jahr durch ein Uniprojekt. Damals ging es um eine Art digitalen Adventskalender und es war noch nicht klar, dass wir daraus etwas Größeres machen. Aber Timo, Berny und ich hatten schon lange vor, etwas gemeinsam zu starten. So ist aus der Idee eines digitalen Adventskalenders die Überlegung entstanden, Menschen überall auf der Welt digital beschenken zu können. Wenn man nicht in der gleichen Stadt wohnt ist es unglaublich schwierig jemanden zu beschenken.
Wie habt ihr angefangen die Idee umzusetzen?
Wir haben uns mit der Idee bei einem Gründerservice der TU Berlin beworben und wurden angenommen. Dort haben wir viel Beratung bekommen und die Möglichkeit mit deren Hilfe einen Stipendienantrag auszuarbeiten. Ab dem Zeitpunkt war uns persönlich klar, dass wir das jetzt auch durchziehen, auch wenn wir noch gar nicht wissen ob wir das Geld bekommen. Timo hat dafür sogar sein Stipendium für Berkley abgesagt.
Was habt ihr studiert?
Wir haben alle Wirtschaftsingenieurwesen studiert mit unterschiedlichen Schwerpunkten.
Wie ging’s dann weiter?
Wir haben uns beim Bundesministerium für Wirtschaft für ein Stipendium in Höhe von 125 000 Euro beworben. Währenddessen ist uns klar geworden, dass wir dringend Entwickler brauchen, also Menschen, die die App programmieren. Timo kannte zufällig zwei Jungs aus Tschechien, die er während eines Erasmus-Jahres kennengelernt hat. Die beiden haben wir dann per Skype überredet mitzumachen. Zwei Wochen später sind sie nach Berlin gezogen.
Ohne finanzielle Absicherung?
Wir haben zunächst unser ganzes Erspartes zusammen gekratzt, um damit die Wohnung und das Gehalt zahlen zu können und damit die ersten vier Monate überbrückt.
Zum Glück haben wir dann das Stipendium bekommen. Das ermöglicht uns jetzt das Team und uns selbst zu bezahlen.
Habt ihr euch viel über das Risiko Gedanken gemacht bis ihr das Stipendium bekommen habt?
Wir hatten die ganze Zeit das Gefühl, das ist gerade so eine Zeit im Leben, direkt nach dem Bachelor, in der man mal etwas ausprobieren kann. Im schlimmsten Fall hätten wir 5000 Euro verloren.
Wenn wir jetzt so zurückschauen, war es genau die richtige Entscheidung mit Vollgas daran zu arbeiten.
Lass uns mal über die App sprechen. Ich habe noch nicht ganz verstanden, warum ich mir die zulegen sollte.
Wir leben in einer Zeit in der es völlig normal geworden ist, dass Freunde und Familie verstreut in ganz Deutschland oder sogar auf der ganzen Welt wohnen. Ich persönlich sehe fast schon täglich, dass genau diese Personen einen Geburtstag oder anderen wichtigen Tag haben. In einigen Fällen würde ich gern mehr tun, als nur „Happy Bday“ auf die Wall zu posten. Momentan tue ich dies aber nicht, da das Versenden von physischen Produkten extrem viel Zeit, Geld und Mühe kosten. Wir wollen es unseren Kunden ermöglichen persönliche, individuelle Geschenke innerhalb von Minuten an jede Person, die in dessen Smartphone gespeichert ist, schicken zu können.
Anstrengend heißt in den Laden gehen, etwas kaufen, einzupacken und zu verschicken?
Ja genau. Mein bester Kumpel wohnt in Hamburg und ich kann nicht zu seinem Geburtstag kommen. Ich könnte jetzt in die Stadt gehen und etwas mit der Post verschicken, das wäre wirklich aufwändig und jeder weiß ja, dass man wahrscheinlich sowieso nicht so was tolles findet. Das Resultat: Ich tue es einfach nicht auf Grund der Anstrengung, nicht wegen der 5-10 Euro, die ich investieren müsste.
Was unterscheidet euch dann von Onlinehändlern?
Auf vielen Plattformen für digitale Produkte, gibt es meist nur eine Kategorie (Film oder Hörbuch usw) außerdem gibt es in vielen Fällen gar keine Möglichkeit digitale Geschenke zu machen. Gibt es sie doch, wird das Produkt sehr unpersönlich (meist via standardisierter Mail) verschickt. Bei uns hingegen steht das Erlebnis im Vordergrund. Das Geschenk muss auf dem Handy entpackt werden, es öffnet sich, eine persönlich Videobotschaft spielt ab und das Produkt kommt zum Vorschein..
Um Apps herrscht ja momentan ein richtiger Hype. Viele gründen und scheitern wieder. Wusstet ihr worauf ihr euch da einlasst?
Dass das viele machen wussten wir. Wir haben uns sehr intensiv angeschaut, was es in diesem Bereich schon gibt und haben keine Lösung gefunden, die uns gefallen hat. In den letzten Monaten haben wir von unterschiedlichsten Seiten erfahren, dass es großes Interesse an solch einem Produkt gibt.
Ihr habt sogar den Gründer Preis 2015 bekommen.
Ja, obwohl es eine App ist.
Wie viel Zeit habt ihr mit Anträge schreiben verbracht?
Anfangs hat eine Person einen Monat Vollzeit damit verbracht. Jetzt gehen wir ca. 4 Stunden pro Woche auf Veranstaltungen und reden darüber. Aber richtige PR machen wir erst wenn die App fertig ist.
Hat sich der Ruf der Selbstständigkeit durch Start-Ups deiner Meinung nach verändert?
Ich glaube momentan wird das ganze Thema sehr gehypt. Jeder zweite guckt “Höhle der Löwen”, eine Serie, in der Start-Ups nach Investoren suchen und viele haben ein generelles Interesse an der Szene. Natürlich wollen auch viele etwas eigenes machen. Ich habe gelesen, dass besonders Unternehmensberater momentan Schwierigkeiten haben Nachwuchs zu finden, weil eben auch fähige Leute in die Start-Up Szene ziehen. Besonders in Berlin und München ist das Thema groß. Ich habe zudem das Gefühl, dass Scheitern nicht mehr so ein großes Problem ist, wie es früher in Deutschland war.
Was ist dein Rat an junge Menschen, die gerne gründen würden, aber sonst keine Ahnung haben?
Erst mal würde ich mir ganz genau überlegen, ob die Idee wirklich gut ist, ob sie Zukunft hat und dabei richtig ehrlich sein. Wenn man sicher ist, dann sollte man es mit aller Kraft versuchen. Wichtig ist auf jeden Fall auch ein gutes Team.
Habt ihr als Wirtschaftswissenschaftler Vorteile gegenüber Geisteswissenschaftler wenn es ums Gründen geht?
Ich glaube nicht. Alles was wir gerade machen, haben wir davor nicht so im Studium gelernt. Unsere beiden Marketing Werkstudenten haben gar nichts mit Wirtschaft am Hut. Ich glaube wenn man die Denke und die Motivation hat, ist es egal, was man studiert hat. Wenn man gut mit Leuten umgehen kann, kann man auch mit Partnern verhandeln. Das kann ein Psychologe vielleicht sogar besser als ein Wirtschaftsingenieur.
Wer neugierig auf die App ist, findet sie unter www.joidy.com
Bilder: joidy.com
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