Wie Insta bist du? Von Hypes und authentischer Selbstinszenierung
Die Diskussion über Selbstinszenierung ist eigentlich alt. Zumindest relativ gesehen und gemessen an der Flüchtigkeit unserer Aufmerksamkeit, die wir Netzphänomenen, neuen Apps und Hypes generell geben, seit es das Internet gibt. Alles hat sich verdichtet, was heute angesagt ist, kann morgen vergessen sein. Also her mit immer mehr Bildern von Badestränden und Vorher-Nachher Body-Pics, die angesichts der vielen schön drapierten Steaks und Spaghetti, die du tagtäglich in dich rein stopfst, irgendwie unglaubwürdig anmuten. Aber egal, sah geil aus. Like ich. Blablabla. Geschenkt.
Sehr live – sehr authentisch
Vor zwei Wochen ist nun eine neue App auf den Markt gekommen, die mehr Authentizität in der Selbstdarstellung fordert und mit dem bösen Selbstinszenierungshype der Instagram-Selfies und Image-Videos in sozialen Netzwerken brechen will. Da der neue versprochene Heilsbringer eines gesunden Selbstbewusstseins jedoch von einem durchaus beliebten YouTube Star kommt, ist der Hype natürlich trotzdem groß. Und das soll er ja auch sein. Denn nach Casey Neistat gibt es gute und schlechte Selbstinszenierung. Und diese neue gute, die seine App verspricht, wird möglicherweise alles verändern. Stellt sich Neistat zumindest so vor. Denn Beme, so heißt die App, macht Videos, die der Macher dabei nicht sehen kann, weil er sich dabei das Iphone mit dem Bildschirm an die Brust halten muss. Anschauen kann er es danach auch nicht, weil es sich automatisch hochladen wird. Dann kann er es sehen, aber auch nur einmal. Ziemlich exklusive Geschichte, die der Neistat da erfunden hat.
Doch im Kern ist diese Innovation nicht neu, sondern rollt die Internet-Geschichte nur von hinten wieder auf. Keine Filter, keine Herzchen – nur das blanke Leben, ohne Kontrolle – Rock’n Roll für Iphone-Träger. Oder: Yolo auf Nummer sicher. Schließlich ist das Video nach einmal schauen auch schon wieder verschwunden. Seit zwei Wochen vergisst das Netz also doch. Kommentieren kann man das Video aber trotzdem, jedoch nicht mit Likes, sondern nur währenddessen mit einem Selfie. Sehr live, sehr authentisch.
Braucht es so was?
Doch ich komme nicht umhin, mich das zu fragen, was man sich in diesen Diskussionen zwar nie fragen sollte, ohne nicht ein riesiges Fass unserer wahnsinnig gewordenen geltungsbedürftigen Konsumgesellschaft zu öffnen. Braucht es so was? Natürlich nicht, will man meinen. Darum geht’s ja nicht. Aber wenn ich länger darüber nachdenke, braucht es wahrscheinlich genau so eine App, damit ein jeder sich wieder so authentisch fühlen darf, wie er langweilig ist, und es durch Beme nun endlich auch legitim und angesagt ist, es anderen zu zeigen. Ja ich esse Currywurst, die aussieht, als sei sie einfach von heute. Ich spiele mit meinem Hund, aber er schläft dabei nicht ein, und auch sonst bin ich ziemlich gewöhnlich. Wer kein Extremsportler wie Casey Neistat ist und 800.000 Fans auf YouTube hat, wird genau solche Videos mit Beme erwirken. Wir können sie dann kollektiv langweilig oder total authentisch finden. Doch entscheidend ist, dass jegliche Authentizität nur innerhalb des Rahmens wirksam wird, den ihr die App mit dem Label „honest videos“schon im Voraus verleiht. Das Netz lebt auch mit, und momentan angesichts von Beme, weiterhin vom Hype und ein „authentisches Produkt“ ist nun mal ein Paradoxon. Sorry, Leute. Auch Beme wird uns nicht retten. Und nun, lasst uns gemeinsam Mensch sein und den Hype den Hype sein lassen.
Länger als ein Trend währt bekannterweise ein regelmäßiges Einkommen. Auf Jobmensa findet ihr zahlreiche Jobs, von langweilig bis cool.
Bilder: Linda Moon/shutterstock.com
Das könnte dir auch gefallen:
Total vernetzt – Networking für Studenten
Warum Networking schon im Studium Sinn macht und wie man Kontakte knüpft und pflegt, verraten wir dir im Magazin.
Studenten auf Instagram: Fünf Accounts, denen es sich zu folgen lohnt
Wir haben heute 5 coole Studenten-Accounts auf Instagram für euch. Inspiration gefällig?
Neue Studie: Studenten sind geldgeil und ich-bezogen! Stimmt das?
Sind Studenten geldgeil und ich-bezogen? Eine aktuelle Studie übt Kritik am studentischen Selbstbild. Was ist dran, an dem Vorwurf?