Watchblogs: digitales Plenum oder Pranger?
Im vergangenen Mai ist es erneut laut geworden um eine beliebte Form der öffentlichen Kritik im Internet, die an vieler Stelle bereits eine wichtige Position zur medialen und politischen Kontrolle eingenommen hat. Der Watchblog. Von Wikileaks über Bildblog bis tief hinein in die rechte Szene mit Nürnberg 2.0 wird über Watchblogs kritisiert, diffamiert und aufgedeckt – nicht immer zur Freude der Betroffenen, nicht immer im Sinne eines differenzierten Diskurses. Zuletzt stieß der Blog zur kritischen Beobachtung des Unterrichts eines Berliner Professors auf uneinige Diskussionen.
Ist jede Kritik wünschenswert?
Zwar haben sich in der Tat einige der Blogs zu vertrauenswürdigen Kritikplattformen entwickelt, die einladen, Positionen des Mainstreams kritisch und oftmals sogar anhand von Beweisen infrage zu stellen. Doch geraten insbesondere jene, die sich auf eine oder wenige Personen richten, gerne in die Kritik und werfen grundsätzliche Fragen auf, wie mit ihnen nun umgegangen werden soll und wie sie generell zu bewerten sind. Im Falle des Münkler-Watch, der die Vorlesungen des renommierten Berliner Politikwissenschaftlers Herfried Münkler bis ins Detail auseinandernimmt, ist man sich auch unter Journalisten nicht mehr einig, ob Kritik in jeglicher Form gerechtfertigt ist, wenn sie inhaltlich als haltlos und intellektuell als dürftig erscheint. Doch ist dies natürlich eine erste entscheidende Frage. Ist Kritik per se wünschenswert, egal welchen Inhalt sie übermittelt? Oder andersherum, hat der Blog keine Berechtigung, weil er inhaltlich als fragwürdig und diffamierend erscheint? Im Falle des Münkler-Watch richtet sich die Kritik aufs schärfste gegen Inhalt und Ausdrucksweise des Professors, wobei nicht auszuschließen ist, dass sich dahinter die Motivation, Münkler selbst zu diffamieren, versteckt. Untersucht werden selbstgewählte Versatzstücke aus Münklers Vorlesung, mit dem Verdacht auf Rasissmus, Militarismus und Sexismus. Nicht schwer zu erraten ist, dass die Gründer diese Ausgangsfrage für sich bereits mit Ja beantwortet haben, wie man an den schablonenartig formulierten Kommentaren unschwer erkennen kann. Bei Münkler-Kritikern werden hier offene Türen eingerannt.
Digitales Plenum oder anonymer Pranger?
Der Blog als Kritik an der Vorlesung hat natürlich gerade für Studenten zwei entscheidende Vorteile. Die Anonymität und die Reichweite. Das Recht der Kritik setzt eben nicht voraus, sein Gesicht zu zeigen. Gerade das Machtgefälle zwischen Professor und Student kann so nicht zum Zentrum der Diskussion werden, indem die asymetrische Rollenverteilung nicht von stärkerer Seite ausgenutzt werden kann. Ob nun aus der kritischen Rede tatsächlich ein Diskurs wird, ist jedoch eine ganz andere Frage. Was Münkler, der Experte in Fragen Machtverhältnissen, als asymmetrische Kriegsführung bezeichnet hat, mag übertrieben sein. Doch handelt es sich in der Tat um asymmetrische Kommunikation, keineswegs um einen Dialog. Und das ist nichts neues im Netz. Der Blog sendet die Kritik in den digitalen Orbus und Münkler ist gezwungen darauf zu reagieren. Nicht zuletzt, weil die Studenten durchaus erfolgreich sind in ihrer Arbeit. Fragwürdig ist also nicht die Kritik an sich, sie ist eindeutig als solche zu akzeptieren in einer freien Demokratie.
Die Suche nach der digitalen Sprache
Die Motivation hinter der Kritik ist dagegen nicht uninteressant, ist Münkler schließlich eine polarisierende Persönlichkeit, dessen Aussagen nicht in jedes linksliberales Denkmuster passen. Seine Haltung gegenüber Deutschlands militärischer Verantwortlichkeit in der Welt oder gegenüber dem Einsatz von Drohnen, die er selbst als humane Waffe bezeichnete, ebenso seine Mitgliedschaft in der Bundesakademie für Sicherheitspolitik mag man kritisieren. Der Vorgang der Studenten, Kritik an einem vermeintlichen Unterton aus seiner politischen Gesinnung heraus in einer öffentlichen Vorlesung zu üben, ist also grundsätzlich wünschenswert. Wie gehaltvoll diese Kritik jedoch ist, bleibt eine andere Frage. Ebenso, ob sie im Grunde nur die Person diffamieren möchte oder nicht. Weiter bleibt zu klären, wie auf diese Form der Kritik zu reagieren ist. Sollte Münkler seine Vorlesungen öffentlich zugänglich machen, ganz im Sinne der Transparenz? Welche Rolle spielt die Universität? Die Diskussion um Asymmetrie und digitale Pranger, Watchblogs und Enthüllungsplattformen sind immer wieder auch solche der Sprachfindung im digitalen Diskurs, der die politische Öffentlichkeit neu bestimmt. Und dabei sein sollten schließlich alle, auch jene, deren Kritik wir nicht nachvollziehen können. Die Frage nach der Berechtigung des Münkler-Watchblogs kann somit nur durch die eigene kritische Beteiligung am Diskurs beantwortet werden. Eine grundsätzliche Ausschließung führt hingegen ins Leere und bewirkt das Gegenteil einer jeden Diskussion.
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Bilder: GaudiLab/shutterstock.com
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