„Was einer nicht schafft, schaffen viele.“
In unserer Themenwoche beschäftigen uns viele Fragen rund um das Thema Zukunft. In unseren Interviews mit jungen Gründern hat uns interessiert, was es bedeutet, etwas eigenständig auf die Beine zu stellen. Für die Studenten Jan und Kai geht es jedoch um mehr, als um Selbstständigkeit. Im Rahmen ihrer Abschlussarbeit gründen sie gerade eine genossenschaftliche Bar und träumen bereits von der Weltherrschaft der Genossenschaften. Sie studieren aktuell noch Integrated Design an der Fachhochschule Köln. Die Bar soll noch dieses Jahr eröffnet werden. Im Idealfall.
Zuallererst, was ist eine genossenschaftliche Bar?
Kai: Eine genossenschaftliche Bar ist zunächst mal ne’ Bar und dann ist es auch noch eine Genossenschaft. Es wird basisdemokratisch entschieden und jedes Mitglied hat das selbe Stimmrecht, egal wie viel Geld er oder sie einzahlt. Konkret heißt das, die Bar hat ganz viele Besitzer.
Es macht also keinen Unterschied ob ich 100 oder 500 Euro einzahle?
Kai: Für dein Stimmrecht nicht. Aber bei einer Rückvergütung, also wenn die Bar Gewinn macht, ist deine Auszahlung abhängig von dem Betrag, den du eingezahlt hast.
Jan: Im Gegensatz zu anderen Rechtsformen ist die Genossenschaft bedürfnisorientiert, das heißt, sie orientiert sich an den Interessen der Mitglieder. Natürlich ist erst mal wichtig, dass die Bar sich trägt, aber die Bedürfnisbefriedigung der Mitglieder, also die Bar zu betreiben und zu besuchen, ist entscheidend.
Ihr studiert beide Integrated Design, wie kamt ihr auf die Idee als Abschlussarbeit eine Bar zu gründen? Seid ihr einfach leidenschaftliche Säufer?
Kai: Wir kamen eigentlich aus der anderen Richtung. Vor zwei Jahren hatten wir mal ein Seminar zu Wohngenossenschaften. Und damals haben wir uns gedacht, das ist doch eigentlich eine coole Sache. Warum kannten wir das vorher nicht? Daraus müsste man doch was machen. Zwei Jahre haben wir dann immer wieder darüber nachgedacht und überlegt, wie man unserer Generation das genossenschaftliche Denken aber auch die Geschäftsidee der Genossenschaft näher bringen könnte. Und so haben wir beschlossen, das in unserer Abschlussarbeit zu behandeln. Die Bar war im wahrsten Sinne eine Schnapsidee, erschien uns dann aber am sinnvollsten.
Jan: Viele junge Menschen zwischen 18 und 35 wissen wenig über Genossenschaften. Die Bar als Ort macht die genossenschaftliche Idee erlebbar.
Kai: Letztlich nährt sich die Idee auch von der Tatsache, dass fast jeder schon mal davon geträumt hat eine Bar zu gründen.
Was waren die ersten Schritte nachdem die Idee feststand?
Kai: Wir haben zunächst eine Website aufgesetzt, Leute zu einer Infoveranstaltung eingeladen und die Idee über soziale Netzwerke promoted. Viel mehr war es nicht.
Was hat euer Professor dazu gesagt?
Der wusste schon seit einem Jahr davon. Er war davon auch immer sehr angetan und hat sogar mal überlegt selbst mitzumachen.
Habt ihr schon eine Vorstellung wie die Bar aussehen soll?
Kai: Wir haben relativ gezielt keine Vorstellung wie das Ganze aussehen soll. Wir denken, dass alle Mitglieder oder auch Gäste an der Gestaltung beteiligt sein sollen. Welche Getränke es geben, wie die Bar aussehen soll, das alles soll aktiv und gemeinschaftlich entschieden werden, damit sich die Leute wirklich mit der Bar identifizieren können.
Gibt’s auch Schwierigkeiten, wenn so viele Menschen plötzlich entscheiden dürfen?
Kai: Absolut. Wir sind ja schon mitten in den Verhandlungen. Gerade arbeiten wir gemeinsam eine Satzung aus, unterhalten uns darüber, wie hoch die Mindestanteile sein müssen. Aber es haben nicht immer alle bei jedem Treffen Zeit und so gibt es auch immer Wissenslücken, die aufgearbeitet werden müssen. Aber hier spielt auch der Designansatz eine Rolle, indem wir mit unterschiedlichen Formaten, also Workshops, Fragebögen, visualisierten Ergebnissen, viele unterschiedliche Gestaltungsmöglichkeiten anbieten.
Aber es gibt natürlich immer wieder Phasen, in denen viel diskutiert wird.
Jan: Trotzdem muss man sagen, dass wir uns selbst als Mitglieder der Genossenschaft sehen. Wir moderieren zwar, aber wir sehen unsere Vorschläge nicht als höher gewichtet. Obwohl das sicher die gemütlichere Variante wäre.
Wo kommen eure Mitglieder her, sind es hauptsächlich eure Freunde?
Jan: Ganz unterschiedlich. Wir haben in der Uni Flyer aufgehängt, wir sind zu einem Social Entrepreneurship Treffen gegangen. Aus dem Freundeskreis, aber auch über viele Ecken hinweg kommen immer wieder Leute dazu.
Kai: Wir sind auch immer noch offen für neue Mitglieder.
Habt ihr eine Obergrenze?
Kai: Jein. Prinzipiell soll die Bar offen bleiben, aber organisatorisch wird es irgendwann schwierig. Das besprechen wir auch immer wieder in der Gruppe, aber momentan gibt es keine konkrete Zahl. Aber an sich wollen wir das Konzept ja erweitern. Wenn mehr Leute einsteigen, ziehen wir in größere Räume oder gründen die nächste Genossenschaftsbar. Die Idee ist ja, ein großes Netzwerk aufzubauen.
Die Weltherrschaft…
Genau. Die Weltherrschaft der Genossenschaftsbars, ein Netzwerk an Bars, die sich international solidarisieren, vielleicht kreuzfinanzieren und dem globalisierten Raubtierkapitalismus etwas entgegensetzen.
In einigen deutschen Städten kaufen junge Menschen ganze Wohnblocks und machen daraus Genossenschaften. Was ist der Vorteil einer Genossenschaft? Erleben wir gerade ein Comeback?
Jan: Ein Grundsatz dabei ist: was einer nicht schafft, schaffen viele. Das ist auch das, woran wir glauben. Alleine können wir so eine Bar nicht stemmen. Wir brauchen viele unterschiedliche Menschen mit Expertisen und Skills, sowie Netzwerke, die zum Erfolg beitragen. Die Genossenschaft bietet genau diese Vorteile. Ob das schon ein Trend ist, lässt sich noch nicht sagen. Aber es könnte einer werden.
Kai: Ich glaube schon, dass es ein immer stärkeres Bedürfnis nach nachhaltigen und sinnstiftenden Produkten gibt. Diese Philosophie lässt sich auch auf Geschäftsmodelle erweitern.
War die Gründung der Genossenschaft für euch auch eine Alternative zur Festanstellung nach dem Studium?
Jan: Es ging uns nicht darum etwas zu gründen, um uns selbst einen Job zu verschaffen. Sondern wir sehen die Bar als Kommunikationsmodell, um die genossenschaftliche Idee zu vermitteln. Wir wissen noch nicht wer die Geschäftsführung übernimmt. Das muss ja auch von der Gruppe entschieden werden. Aber wir werden bestimmt auch mal hinter der Bar stehen.
Wie viele Leute seid ihr momentan?
Kai: Schwierig zu sagen. Es gibt noch keine Verbindlichkeit. Das Kernteam besteht momentan aus etwa 15-20 Leuten. Aber es waren auch schon mal 60 da.
Habt ihr manchmal auch Angst, dass alles nichts wird?
Kai: Andauernd.
Was würdet ihr anderen raten, die eine Idee haben aber sonst keine Ahnung?
Kai: Ich würde so viele Leute wie möglich fragen. Irgendjemand ist immer dabei, der Ahnung hat. Oder such’ dir Leute, die auch Bock haben mitzumachen. Klar, wir haben jetzt auch diesen genossenschaftlichen Hintergrund. Man kann auch zu zweit eine Bar aufmachen, aber dann muss man sich eben auch zu zweit in alles einarbeiten.
Oder doch lieber Floskeln? Glaub an dich selbst. Rede drüber und tu Gutes!
Letzte und wichtigste Frage: wann gibt’s das erste Bier?
Hoffentlich bald. Im Idealfall noch im Dezember.
Wer sich der Genossenschaft noch anschließen möchte, findet die Jungs unter trink-genosse.de oder auf Facebook.
Bilder: trink-genosse.de
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