Warum die Generation Y ständig unzufrieden ist
In der Generation Y denkt jeder, er sei etwas Besonderes. Aber Moment mal, bedeutet das nicht, dass niemand mehr besonders ist? Sich selbst im Internet zu feiern gilt ja schon lange nicht mehr als verwerflich. Aber warum macht es trotzdem so unglücklich?
Das ist Lucy.
Lucy gehört zu genau dieser Generation Y. Das heißt, sie wurde zwischen den späten Siebzigern und den frühen Neunzigern geboren. Lucy pflegt, wie viele andere auch, eine Art Yuppie-Lifestyle. Die Amerikaner differenzieren aber noch weiter: Die Untergruppe nennen sie „Gen Y Protagonists & Special Yuppies“ – kurz GYPSYs.
Lucy genießt ihr GYPSY-Leben und findet es gut, Lucy zu sein. Das einzige Problem: Sie ist irgendwie unglücklich. Aber warum?
Das ist im Grunde ziemlich unkompliziert: wenn es in der Realität besser kommt, als erwartet, ist man glücklich. Läuft es andersherum, ist man unglücklich.
Um das noch ein bisschen besser verstehen zu können, müssen wir Lucys Eltern kennenlernen.
Lucys Eltern wurden in den Fünfzigern geboren – sie gehören damit zu der Gruppe der “Baby Boomers”.
Diese wurden wiederum von Lucys Großeltern erzogen, welche zur “G. I. Generation”, oder “Greatest Generation” gehören. All jene, die in Zeiten der Wirtschaftskrise und des Zweiten Weltkriegs lebten. Größer könnte der Unterschied zwischen ihrer Generation und den GYPSYs also nicht sein.
Für Lucys Großeltern, die in einer Ära der Depression aufgewachsen sind, war wirtschaftliche Sicherheit das A und O. Sie empfahlen also ihren Kindern (Lucys Eltern) bodenständige und sichere Karrieren einzuschlagen. Lucys Großeltern wollten für ihre Kinder ein Leben, das besser sei, als ihr eigenes, ein Leben ohne Dürreperioden – wie ein Rasen, grüner als der der Nachbarn, also grüner als der eigene es jemals war und jemals werden konnte.
In etwa so wie hier:
Sie lernten, dass ihrem blühenden Rasen nichts in die Quere kommen könne, sofern sie hart und ausdauernd arbeiteten – von nichts kommt schließlich auch nichts!
Nachdem Lucys Eltern die Hippie-Phase überstanden hatten, verfolgten sie ihre vorgezeichneten Karrieren. Es kamen die Siebziger, die Achtziger und irgendwann die Neunziger: die Welt erschien in nie dagewesenem Wohlstand. Lucys Eltern machten sich besser, als sie erwartet hatten. Sie waren erfüllt von Stolz und blickten voller Optimismus in die Zukunft.
Diese Lebenseinstellung gaben Lucy’s Eltern an ihre Kinder weiter. Und da waren sie nicht die einzigen. Baby Boomers von überall auf der Welt erzogen ihre Gen Y Kinder im Glauben an Optimismus und unbegrenzten Möglichkeiten. Sie gaben ihren Kindern das Gefühl, die Hauptdarsteller einer ganz besonders außergewöhnlichen Geschichte zu sein.
So entstand eine enorme Erwartungshaltung: Die GYSPYs begriffen, dass es ihnen ein sattgrüner Rasen allein nicht reichte, auf ihrem Rasen hatten Blumen zu wachsen!
Das führt zur ersten Erkenntnis über die GYPSYs:
1.) Ein GYPSY ist entsetzlich anspruchsvoll!
Ein GYPSY erhofft sich also mehr als einen grünen Rasen voll Wohlstand und Sicherheit. In der Tat ist ein ordinärer, sattgrüner Rasen nicht genug für einen GYPSY. Während für die Baby Boomers der Amerikanische Traum als Lebensziel galt, wollen GYPSYs ihren eigenen, persönlichen Traum leben und streben nach nichts mehr, als nach Selbstverwirklichung.
Cal Newport beschreibt, dass der Slogan “den eigenen Leidenschaften folgen” erst in den letzten 20 Jahren populär geworden ist. Er bezieht sich hier auf Googles Ngram Viewer, ein Tool, das verrät, wie populär ein Begriff in der englisch-sprachigen Presse ist. Derselbe Ngram Viewer gibt außerdem preis, dass der Begriff die “sichere Karriere” von der „erfüllenden Karriere“ abgelöst wurde.
Aber noch etwas anderes passiert.

Dies führt zur zweiten Erkenntnis über die GYPSYs:
2.) GYPSYs leiden an Illusionen!
“Jeder wird seinen Weg gehen. Aber mein Leben, das wird immer das Außergewöhnlichste sein. Ich bin ambitioniert und ich werde immer aus der Masse heraus stechen.”
Einem richtigen GYPSY reicht also der sattgrüne Rasen nicht. Und auch wenn daraus eine prächtige Blumenwiese geworden ist, bleibt immer noch Luft nach oben. Ganz nach der Erkenntnis des Rappers Teesy: „Hast du Iphone 4, brauchst du Iphone 5“.
In Lucys Karriere-Vorstellung darf also auch ein glitzerndes Einhorn, das über ihre Wiese springt, nicht fehlen.
Warum das eine Illusion sein soll? Weil alle GYPSYs so denken. Dies führt uns zu der Definition von “außergewöhnlich” (Duden):
au|ßer|ge|wöhn|lich - a̲u̲ßergewö̲hnlich Adjektiv 1. nicht in, von der gewöhnlichen, üblichen Art; vom Üblichen, Gewohnten abweichend; ungewöhnlich 2. über das gewohnte Maß hinausgehend; sehr groß 3. sehr, überaus
Die meisten Menschen können also nicht “außergewöhnlich” sein, denn sonst hätte der Begriff in seiner Bedeutung keinen Bestand mehr.
Doch selbst bei dieser Erkenntnis wird sich ein GYPSY denken: “Ja logisch, ein wirklich wichtiger Einwand. Aber ich bin ja einer der wenigen, die wirklich außergewöhnlich sind.” Und voilà, hier liegt das Problem.
Eine zweite GYPSY-typische Illusion entpuppt sich bei der Jobsuche: Lucys Eltern sahen die Karriere als das große Ziel, dass eventuell nach jahrelanger harter Arbeit erreicht werden könne. Lucy hingegen findet, die große Karriere sei selbstverständlich für einen derart außergewöhnlichen Menschen. Das einzige Hindernis sei für sie, den richtigen Job zu finden.
Ihre Prä-Jobsuche-Erwartungen sehen ungefähr so aus:
Leider zeigt sich in den meisten Fällen, dass das Leben nun mal kein Ponyhof ist und Lucy muss schnell begreifen: Das Erstaunliche an Karrieren ist, dass sie mitunter doch harte Arbeit voraussetzen. Große Karrieren erfordern Nerven, Schweiß und Tränen – sogar diejenigen, die „nur“ aus einem sattgrünen Rasen bestehen, also solch ordinäre Karrieren, die ganz ohne Blumen und ganz ohne glitzerndes Einhorn auskommen. Und selbst die erfolgreichsten Menschen haben in ihren 20ern noch nichts Großartiges geschafft. Aber das will ein richtiger GYPSY nicht akzeptieren.
Paul Harvey ist Professor an der Universität von New Hampshire und ein Experte auf dem GYPSY-Gebiet. Er fand heraus, dass die Generation Y “unrealistische Vorstellungen und eine starke Resistenz gegenüber dem Akzeptieren von negativem Feedback aufweist”, gepaart mit einem “durchaus aufgeblasenen Selbstbild”. Er sagt, eine große Quelle für Unzufriedenheit sei ein überzogener Anspruch, der zwangsläufig zu unerfüllten Erwartungen führe. In diesem Sinne hätten GYPSYs die Erwartung von absolutem Respekt und Anerkennung, der aber letztendlich in keinem Verhältnis zu den eigentlichen Fähigkeiten und Engagement stünde.
Harvey empfiehlt daher Personalern, im Vorstellungsgespräch die folgende Frage zu stellen: “Glauben Sie, dass Sie besser sind als ihre Kollegen oder Kommilitonen und wenn ja, warum?” Er behauptet, dass sofern ein Bewerber den ersten Teil der Frage mit “ja” beantworte, allerdings beim zweiten Teil ins Stocken gerate, ein klarer Fall von Kandidat mit überzogenen Ansprüchen und Erwartungen vorliege. Er begründet dies damit, dass diese Wahrnehmung von den eigenen Ansprüchen und Erwartungen eben von einem unbegründeten Überlegenheitsgefühl herrühre, gekoppelt mit dem Gefühl, einer solchen Ehre tatsächlich würdig zu sein. “Diese Generation trägt durch ein überbordendes Selbstwertgefühl, das ihnen bereits in der Kindheit eingeprägt wurde, die Erkenntnis in sich, dass sie einfach außergewöhnlich sind. Diese Wahrnehmung erhält allerdings in den seltensten Fällen eine Rechtfertigung in der Realität. Ihre Eltern haben ihnen etwas zu eifrig ein großes Selbstbewusstsein gepredigt“
Und weil in der wirklichen Welt, wirkliche Leistung zählt, findet sich Lucy ein paar Jahre nach dem Hochschulabschluss hier:
Lucys extremer Ehrgeiz, der noch mit Arroganz aufgrund des illusionären Selbstwertgefühls gekrönt wird, bringen Lucy nach ihrem Abschluss dazu, übertriebene Erwartungen an die nächsten Jahre zu stellen. Ehrgeiz, Arroganz und Selbstwertgefühl schwinden allerdings schlagartig hinsichtlich der Negativ-Bilanz zwischen Erwartungen und Realität.
Aber es kommt noch schlimmer. Als wäre das alles noch nicht genug, haben GYPSYs ein weiteres Problem, das die gesamte Generation betrifft:
3.) Das Bild der Anderen!
Lucys Eltern hörten hin und wieder von den Karrieren der anderen Kinder, und die Gerüchteküche brodelte auch in ihrer Generation. Allerdings arbeiteten sie eher für sich selbst, während Lucy permanent mit der gepimpten Selbstdarstellung der Anderen konfrontiert wird: Facebook Image Crafting.
Die Sozialen Medien lassen eine fiktive Wirklichkeit um Lucy entstehen, in der A) das Leben des Anderen sichtbar ist, B) jeder eine aufgeblasene Version seiner selbst präsentiert und C) meistens nur diejenigen mitreden, die Erfolgsgeschichten von Karriere und Beziehung zu berichten haben. Die anderen verstummen und versuchen, mit der persönlichen Situation fertig zu werden.
Dies führt dazu, dass Lucy zu Unrecht das Gefühl hat, all ihre Mitmenschen wären besser als sie. Es vergrößert aber ihre Misere und das Gefühl, ungenügend zu sein.
Das ist also der wahre Grund für Lucys Unzufriedenheit, Frustration und das Gefühl, nicht auszureichen. In Wirklichkeit hat sie einen ziemlich guten Start hingelegt, doch für sie fühlt sich alles nach Enttäuschung an.
Daher einige Tipps für Lucy:
1) Bleib‘ ehrgeizig! Die Welt da draußen hält viele Herausforderungen für ehrgeizige junge Menschen bereit und es gibt zahlreiche Möglichkeiten, blumigen, glitzernden Erfolg zu haben. Auch wenn der eigene Weg noch unklar erscheinen mag, wird er sich irgendwann heraus kristallisieren – man muss nur irgendwo anfangen.
2) Hör auf zu glauben, du seist außergewöhnlich! Fakt ist, zum jetzigen Zeitpunkt bist du einfach noch nicht außergewöhnlich. Du bist nur eine weitere unerfahrene junge Person, die bislang nicht wirklich viel geleistet hat. Außergewöhnlich, wirklich außergewöhnlich kannst du aber noch werden, wenn du über lange Zeit hart arbeitest.
3) Ignoriere den Rest der Welt! Dass der Rasen des Nachbarn immer grüner erscheint als der eigene, wird wahrscheinlich immer so sein. Aber heutzutage ist der Rasen nicht nur grüner, sondern eine saftige satt-grüne Wiese, ein traumhafter Garten.
In Wahrheit ist jeder so unentschlossen wie Du, ebenfalls voller Zweifel und mindestens genau so frustriert! Wenn du einfach dein Ding durchziehst, gibt es keinen Grund, jemand anderen zu beneiden!
Der Original Kommentar ist auf Englisch in der Huffington Post erschienen und hier zu finden.
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Bilder: LoloStock/shutterstock.com
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