Wann haben wir verlernt, unser Leben zu genießen?
Eine neue Studie zeigt es schwarz auf weiß: Die Deutschen können nicht genießen! Anscheinend sind es aber vor allem junge Leute, die Selbstbeherrschung zu ernst nehmen. Und das trotz Wohlstandsgesellschaft?
„Leben, das ist das allerseltenste in der Welt – die meisten Menschen existieren nur.“ Oscar Wilde war schon im 19. Jahrhundert vom Pragmatismus der Gesellschaft desillusioniert . Was würde er wohl denken, würde man ihn heute in ein Bürogebäude, oder noch schlimmer, an den Tisch eines Business-Lunchs setzen? Wahrscheinlich wäre er „not amused“, denn die Deutschen haben, allem Anschein nach, verlernt, das Leben zu genießen.
In was für einem Land leben wir eigentlich?
Das Merkmal unserer Epoche sei „wir mäßigen uns maßlos“, meint DIE WELT. Man könne hier sogar fast schon von einem Krankheitssymptom sprechen, denn die Deutschen sind wohl unfähig, zu genießen. Anstatt zu fragen, wofür wir leben, fragen wir uns, wie wir möglichst lange leben. Rausch und Exzess bleiben aus, genau so wie spontane Glücksmomente. Wenn man all diese Ergebnisse liest, fragt man sich, warum wir eigentlich noch nicht alle depressiv sind. Denn irgendetwas muss uns doch noch Freude am Leben machen. Doch für 91 % macht erst der Genuss das Leben lebenswert.
Erst die Arbeit, dann das Vergnügen
Nicht nur bei den Älteren sitzt diese Weisheit fest im Kopf. Auch die Jüngeren scheinen sie sich sehr zu Herzen zu nehmen. Nur 1 % der Befragten haben nicht das Gefühl, sich Genuss verdienen zu müssen. Die meisten denken also: Genuss = Belohnung. Obwohl das Angebot an Genussmöglichkeiten immer größer wird, kann man immer weniger davon genießen. So sehen es viele Deutsche. Ist die fehlende freie Zeit Schuld daran? Fast die Hälfte der Befragten haben den Eindruck, dass es vor allem im „stressigen Alltag“ immer seltener gelingt, etwas wirklich zu genießen.
Die gefährliche Steigerung davon ist, wenn aus diesem „Genuss-Druck“, „Genuss-Neid“ entsteht; wenn die anderen, gefühlt, das halbe Jahr in der Sonne brutzeln, während du im verregneten Deutschland Tee trinkst. Denn aus diesem Gefühl heraus, wird Genuss zu etwas Zwanghaftem und verliert dadurch an Wert.
Das Geheimnis: Loslassen können!
„Hochgenuss“ – was war das nochmal? Dieses berauschende Stadium aus völligem Einssein mit sich und der Welt erreicht man eigentlich nur durch das Loslösen von stressigen Situationen. Das kann man aber nicht planen, man muss dafür bereit sein. Besonders jungen Leuten fällt das schwer, aber auch die Älteren klagen über diese Unfähigkeit. Da ist es wenig verwunderlich, dass Psychologen oft die Aussage zu Ohren kommt: „Früher habe ich das genossen. Heute kann ich das nicht mehr.“
Schreibt uns die Gesellschaft vor, selbstbeherrscht zu leben?
Die Institutionen legen jedenfalls einen soliden Grundstein, um unseren Genuss einzuschränken: Kein Rauch in den Kneipen, kein Fett in der Sahne. Gesellschaft sollte Ressourcen zum Genießen bereitstellen, anstatt alles Anstößige (aus Bequemlichkeit) zu verbieten! Kann es sein, dass hier das eigentliche Problem liegt? Sind die Deutschen schlichtweg zu prüde? Ist für sie Genuss ein Synonym für Tabu geworden? Schlankheitswahn und Karrierefokus hemmen unsere Genussbereitschaft. Um dem zu entkommen hilft nur eins: beherzt über die Stränge schlagen, im Hier und Jetzt leben, der Unvernunft ein Loblied singen, und einfach den Moment genießen.
Bilder: Ditty_about_summer/shutterstock.com
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