Studienplatz per Anwalt: Klagen erlaubt – aber auch gerecht?
Meistens ist es ja so, dass man klagt, um aus etwas RAUS zu kommen: Handyvertrag, U-Haft, Ehevertrag, Mietverhältnis – was auch immer. Anders dagegen auf studentischer Seite, wo es in letzter Zeit immer angesagter ist, sich in etwas REIN zu klagen – und zwar ins Studium. Grund genug für einen Artikel über rechtliche Absurditäten im Bildungswesen.
Das Geschäft mit der akademischen Klagewut scheint so gut zu sein, dass sich inzwischen ganze Anwaltskanzleien auf das Feld spezialisiert haben. Jedenfalls werden angesagte Suchmaschinen nicht müde, zur Verschlagwortung „Klage + Studium“ gleich reihenweise passende Adressen auszuspucken. Und was kostet so ein Studienplatz vom Anwalt? Wie viel Kohle müssen bildungsgeile Klienten auf den Tisch legen? Eine ganze Menge natürlich, was auch sonst, und genau hier liegt das Problem.
Tschüß Kohle – Hallo Studienplatz!
Denn wenn dieser Markt darauf beruht, dass bis zu fünfstellige Honorarbeträge (!!!) den Besitzer wechseln müssen, um den gewünschten Effekt – einen Studienplatz – zu erzielen, stellt sich automatisch die Gerechtigkeitsfrage. Also: Geht es wirklich gerecht zu, wenn die Größe des Geldbeutels (von Vati) darüber entscheidet, wer einen Studienplatz über den anwaltlichen Schreibtisch ergattern kann? Obwohl Abiturnote und Statut der Hochschule eben nicht im Einklang stehen? Oder besser: Obwohl der eingeklagte Studienplatz womöglich einer anderen Person mit einem besseren Schnitt im Abi zustünde?
Die Antwort müsste eigentlich „Nein!“ lauten. Und trotzdem ist dieser Irrsinn möglich, weil sich das Bundesverfassungsgericht vor Jahr und Tag mal etwas schräg zur Vermeidung von organisatorischer Willkür bei der Studienplatzvergabe geäußert hat. Klagen waren in der Folge zunächst nie ein Thema, gab ja (irgendwo) immer genügend Plätze, aber das hat sich angesichts von mittlerweile 2,7 Millionen Studierenden im Lande grundlegend geändert.
Nicht genug Studienplätze für alle
Bildlich scheint es, als sei man an vielen deutschen Hochschulen inzwischen derart eng zusammengerückt, dass Platzangst herrscht. Daher die Klagewelle, daher überhaupt erst das Öffnen juristisch spitzfindiger Hintertürchen, gerade in beliebten und zugleich stark zulassungsbeschränkten Fächern wie Medizin, Zahnmedizin oder Pharmazie.
So ist in erstgenanntem Fach der Numerus Clausus (NC) an vielen Hochschulen inzwischen bei der nicht mehr steigerbaren Abiturnote 1,0 angelangt. Und auch sonst hat die Studentenschwemme der letzten Jahre dazu geführt, dass das ein oder andere Wartesemester für weniger leistungsstarke Schülerinnen und Schüler unter normalen Umständen unumgänglich wäre. Rund 50 Prozent aller Bachelor-Studiengänge in Deutschland sind inzwischen zulassungsbeschränkt.
Klagen leicht gemacht
Doch wie funktioniert so eine Klage? Wo lässt sich rechtlich einhaken? Vom Prinzip her ist es erstaunlich simpel: Der Kläger (Student in spe) zweifelt einfach an, dass durch das Vergabeverfahren der Hochschule genügend Studienplätze verfügbar sind. Punkt. Nun ist es an der beklagten Hochschule, das Gegenteil zu beweisen.
Aber wie? Die Bemessung ist schwierig, das Procedere komplex – und damit auch die Beweisführung, weshalb Hochschulen derartige juristische Auseinandersetzungen nicht freudig angehen. Oder anders gesagt: Die Scheu der Institutionen ist derart groß, dass es für den Kläger im Idealfall heißt: Treffer, versenkt – Studienplatz rechtlich erstritten! Leider ist nicht überliefert, wie hoch genau die Erfolgsquote im Klagefall ist.
Jobmensa meint: Es kann nicht angehen, dass gut gefüllte Konten und ein langer juristischer Atem ein gehöriges Wort bei der Studienplatzvergabe mitzureden haben. Dann nämlich hilft die Klagemöglichkeit wirklich nur den ohnehin gut Betuchten der Gesellschaft. Also solchen, die ein, zwei Wartesemester im Zweifel deutlich besser verkraften könnten als ein mittelloser Konkurrent, der im Abi „nur“ eine 1,1 geschafft hat. Denkt einfach mal drüber nach.
Bilder: Evlakhov Valeriy/shutterstock.com
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