So schön kann Erasmus sein. Ein Interview mit Nele in Budapest.
Erasmus ist für viele Studenten ein Traum. Es können neue Erfahrungen gesammelt und neue Kulturen erkundet werden. Nele, Studentin in Köln, macht zur Zeit ein Auslandssemester in Budapest und hat uns einige Fragen zu ihrem Aufenthalt in Ungarn beantwortet.
Wie lange bist du jetzt eigentlich schon unterwegs und hast du dich gut eingelebt? Wo wohnst du und wie hast du die Wohnung gefunden?
Ich bin seit dem 01. September in Budapest und habe mich tatsächlich gut eingelebt. Ist ja auch schon Halbzeit. Alles nimmt seinen Lauf, es rollt. Die Wohnung habe ich gefunden, weil ich im Grunde pures Glück hatte. Meinen jetzigen Mitbewohner habe ich als Freund kennengelernt und ihm dann erfolgreich eingeredet, dass dieser Palast viel zu groß für einen alleine ist. Jetzt wohnen wir direkt im Zentrum, in einer Hinterhofwohnung die 5 Minuten fußläufig zur Uni, dem Fluss und allem was man sonst so begehrt, liegt.

Warum Budapest und kein Standardziel wie die USA, Kanada oder Australien?
So ungewöhlich ist das Ziel vor allem für deutsche Studenten gar nicht. Die Wahl ist hierauf gefallen, weil zum einen die Studieninhalte echt interessant sind und meine bisherigen Module ergänzen, und zum anderen weil ich mal in einer anderen Umgebung als der westlichen Welt wohnen wollte. Außerdem ist die Stadt wunderschön, es ist vergleichsweise preiswert und das kulturelle Angebot kann sich sehen lassen.
Was machen die Sprachkenntnisse?
Mit Englisch und Deutsch kommt man hier gut weiter. Überrascht bin ich vor allem über die Deutschkenntnisse vieler Ungarn. Auch ein Ungarischkurs steht auf meinem Lehrplan- aber da reicht’s bisher grad mal für Geplänkel an der Supermartkasse und das Zuprosten mit Fremden, die über Nacht zum Freund werden. Ist aber auch eine verzwickte Sprache. „Beszelek edy kiscit magyarul“ könnt ich inzwischen schon behaupten.
Was ist an der Uni anders als bei uns?
Die Kurse sind sehr viel kleiner – dadurch intensiver und man wird persönlicher betreut. Aber das kommt auch ganz auf das Institut an, bei dem man studiert. Mit dem Germanistischen Institut habe ich in diesem Fall Glück. Etwas anstrengend ist es, dass die Hausarbeiten hier schon während des Semesters geschrieben werden müssen, was eine Menge zusätzlichen Stress bedeutet. Aber bei dem Campus aus alten Backsteinbauten, Glühwein auf dem Pausenhof und lichtdurchfluteten Bibliotheken kann man davon absehen.
Ist das Studentenleben anders, das Lenpensum vergleichbar, die Partys wie bei uns?
Das Studentenleben lässt sich schon gut mit dem Bekannten vergleichen. Ich unternehme mehr kulturelle Aktivitäten hier um die Möglichkeiten zu nutzen, die es mit sich bringt in einer anderen Stadt zu sein. Das Lernpensum ist im Vergleich etwas straffer gezogen aber das kriegt man gut hin, weil andere Verpflichtungen (wie etwa ein Nebenjob oder familiäre Events) wegfallen. Und natürlich ist der Freundeskreis auch hier schon eng aneinandergewachsen, aber eben auch nicht so weitgefächert und pflegebedürftig wie die Lieben daheim. Die Partys sind super- solange man sich von den offiziellen Erasmus Events fernhält und auf eigene Faust das Nachtleben erkundet. Empfehlen kann ich an dieser Stelle das LÄRM, Corvintettö oder das A38 zum Tanzen oder für ein gemütliches Bier das autonome Zentrum Aurora oder die kleine Bar Hintalo (das ist ungarisch für Schaukelpferd).
Hast du schon etwas typisch ungarisches unternommen oder ist etwas geplant?
Ja, natürlich. Wir waren bei einer Weinprobe, quatschen in Ruinenpubs, gehen wandern auf dem Lande. Ob Enten füttern am Balaton oder Palinka auf dem Bürgersteig- eine Prise „Ungarn“ schwingt bei allem mit.

Hast du auch Kontakt zu Einheimischen oder bist du nur mit anderen Erasmus Studenten zusammen?
Es ist etwas schwer engen Kontakt zu den Einheimischen aufzubauen, aber inzwischen haben wir unsere Kontakte, werden zu privaten Veranstaltungen eingeladen und stolpern auf der Straße in bekannte Gesichter. Und natürlich landet man in den Unikursen immer wieder in „gemischten“ Projekt- und Referatgruppen. Schön an der Budapester Mentalität ist, dass man sich einfach mal für ne Stunde mit nem Fremden ins Cafe setzten kann. Diese Konversationen dann aber über den Smalltag auf tiefere Ebenen zu führen gestaltet sich erfahrungsgemäß schwierig.
Wie funktioniert Erasmus? Wie sieht die Unterstützung aus?
Das hier zu erklären würde den Rahmen etwas sprengen. Wichtig ist es sich frühzeitig mit einem aussagekräftigen Motivationsschreiben zu bewerben und die Lerninhalte der gewünschten Zielunis mit den Modulhandbüchern der eigenen abzugleichen. Hat man diesen ersten Schritt geschafft und wurde angenommen, so kümmert man sich um das Learning Agreement. Das ist ein Formular auf dem man mit beiden Unis abklärt, welchen Kurs man sich wo und wie anrechnen lassen kann. Nachdem man dann noch eine Auslandskrankenversicherung, diverse Stempel und gegebenenfalls Sprachkenntnisse zusammengesucht und nachgewiesen hat, kann es losgehen. Die Unterstützung durch ERASMUS drückt sich natürlich vor allem im Geld aus. Um die Lebenskosten zu decken reichen die monatlichen 150 Euro natürlich nicht aus, aber immerhin ist das Leben hier günstiger als daheim. Abgesehen von der finanziellen Forderung kann man durch ERASMUS kostenlos an diversen Sprachkursen teilnehmen, zum Beispiel dem online OSL Englischkurs, und bekommt auch vor Ort mit der ESN Karte Vergünstigungen in Museen, Theatern etc.
Was gefällt dir am besten an der Stadt?
Die internationale Atmosphäre, die beeindruckenden Gebäude, sowohl das Quirlige an Pest, als auch das Ruhige an Buda. Der Blick von oben, der Fluss, die Kunst in den Gassen, besonders, vielleicht klingt es seltsam, der Friedhof.

Was unternimmst du in deiner Freizeit?
Neuerdings gehe ich regelmäßig bouldern und lerne Mundharmonika. Ansonsten die Citadella mit einem Picknick in der Tasche erklettern, durch die Markthallen streunern, sämtliche Secondhandläden- davon gibt es reichlich- durchstöbern, auffällig viel in warmen Thermalwasserbecken dümpeln und davon abgesehen das Gleiche wie Zuhause auch: Freunde treffen, aus dem Fenster schauen, zu viel rauchen.
Bist du schon in ein kulturelles Fettnäpfchen getreten?
Hallo sagt man meistens für Tschüss, komisch, oder? Ansonsten ergeben sich besonders im Umgang mit anderen ERASMUS Studierenden aus ganz Europa verschiedene Fragen. Zum Beispiel: „Wen begrüßt man wie?“ Die einen verteilen Umarmungen, die anderen ein/zwei/drei Küsschen. Besonders in politischen Debatten empfinde ich oft Unverständnis mit dem allgemeinen Tenor in Ungarn und Zweifel an der Menschlichkeit. Aber dann muss man sich die Geschichte des Landes und den Mangel politischer Alternativen anschauen und erkennt vielleicht etwas besser, warum die Stimmung ist, wie sie ist.
Was war ein Tiefschlag? Oder gab es den bisher nicht?
Ich würde jedem davon abraten sich von Zuhause aus um einen Schlafplatz im Studentenwohnheim zu kümmern. Das kann man vorher nicht einschätzen- wie die Atmosphäre dort ist oder wer dein Zimmernachbar auf 8 Quadratmetern wird. Ich habe nur eine Woche im Dormitory gelebt und musste dennoch für zwei volle Monate bezahlen. Außerdem: Fernbeziehungen sind scheiße schwierig!

Was hast du noch alles in den nächsten Monaten geplant?
Vieles. Erstmal bekomme ich ganz viel Besuch. Und dann sind nach der Prüfungsphase viele kurze Trips geplant- vor Weihnachten machen wir einen Roadtrip über Bratislava und Prag zum familiären Fest nach Hause und im Januar stehen Sarajevo und Lubiana auf dem Programm. Alles gut erreichbar von hier aus und spannend!
Geht es noch auf Reisen nach dem Semester oder zieht es dich schon zurück in die Heimat?
Ja, wie gesagt, den Januar nutze ich noch für mehrere Trips von der Homebase Budapest aus. Dann muss ich Anfang Februar wieder zurück, – die Verpflichtungen rufen. Aber auf meine Freunde, die Chaoten, und meine Familie freue ich mich tierisch. Und was ich vermisse? Ordentliche Sahne- konnte ich hier noch nicht identifizieren. Trotzdem „alles tutti.“
Vielen Dank für das Interview und dir noch eine tolle Zeit!
Bilder: Nina Creutz
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