Scheinstudenten: Ein Pro&Contra zu den Karteileichen
Jeder kennt einen, einige verachten sie, andere haben kein Problem mit ihnen: die Rede ist von sogenannten Scheinstudenten. Jedes Semester auf Neue schreiben sich Tausende an einer Universität ein – um dann nie dort aufzutauchen. Seit der Abschaffung der Studiengebühren ist die Zahl der Scheinstudenten weiter in die Höhe geschnellt. Es gibt zwar keine offiziellen Statistiken, doch manche Unis melden, dass in einigen zulassungsfreien Fächern teilweise bis zu ⅓ der Studierenden nicht erscheinen. Grund genug um einmal abzuwägen: wo liegen die Vorteile von Scheinstudenten – sowohl für sie selbst als auch für uns? Und wo machen uns die Scheinstudenten Probleme?
Die Vorteile des Scheinstudenten-Daseins:
Die Vorteile für nur zum Schein immatrikulierte Studenten liegen auf der Hand. Obwohl sie in Wahrheit Praktika absolvieren, jobben, in der Ausbildung sind oder bereits fest im Berufsleben stehen: gleichzeitig können sie zahlreiche studentische Rabatte genießen. Ich persönlich kenne bereits verbeamtete Lehrer, die sich für das Semesterticket immer noch einschreiben. Damit wären wir bei…
Vorteil 1: Das Semesterticket
Es ist das non plus ultra des Studentendaseins: das Semesterticket. Es ist eines der am meisten vergünstigten Tickets für Bus und Bahn, das es überhaupt gibt. Unbegrenzt durch die ganze Stadt und das Bundesland tingeln – auch zum Job oder Praktikum. Ganz schön lukrativ, finden die Scheinstudenten. Dafür zahlen sie gerne den halbjährlichen Semesterbeitrag von meist um die 200 Euro. Denn das ist nur ein Bruchteil von dem, was sie für ein reguläres Ticket zahlen würden.
Vorteil 2: Versicherungen
Auch bei der Krankenversicherung spart der Scheinstudent bares Geld. Vergleichsweise günstige 80 Euro im Monat muss er für Kranken- und Pflegeversicherung zahlen. Ist der Scheinstudent noch unter 25, kann er sogar noch in der Familienversicherung bleiben, sollte er keinen Nebenjob haben, bei dem er mehr als 20 Stunden die Woche arbeitet oder mehr als 450 Euro verdient.
Vorteil 3: Kindergeld
Die selbe Altersgrenze von 25 besteht auch für den Bezug von Kindergeld. Das gibt es zwar auch in der Ausbildung – jobbt man jedoch nur oder absolviert Praktika, schreiben sich viele junge Menschen ein, um weiterhin jeden Monat ihr Kindergeld zu erhalten.
Vorteil 4: Rabatte, Rabatte, Rabatte!
Erklärt sich von selbst, oder? Als Student kann man günstiger feiern, essen, Zeitungen abonnieren, online shoppen (z.B. Amazon Student) und so weiter und sofort. Es könnte schwächere Anreize für das Studentendasein geben!
Schön und gut, aber wo liegen die Vorteile der Scheinstudenten für uns?
Vorteil 1: Plus bei den Studentenwerken
Was oft nicht bedacht wird: der Semesterbetrag, den ja auch die Scheinstudenten leisten, geht ja nicht nur für das Semesterticket drauf. Ein Teil davon wandert auch zu den Studentenwerken. Und haben die Studentenwerke mehr Knete zur Verfügung, profitieren davon die aktiven Studenten, denn: die Mensa, Wohnheime, Beratungen etc. wird wohl kaum ein Scheinstudent in Anspruch nehmen.
Vorteil 2: Studierendenzahlen
Diesen Vorteil haben vor allem die Universitäten selbst. Denn Scheinstudenten tauchen zwar in den Studierendenzahlen auf, aber nicht im Hörsaal. Für die Unis oftmals egal, denn für sie sind die Studierendenzahlen das A und O. An ihr wird die Höhe der Fördermittel und die Menge an Personal berechnet, das eine Universität zur Verfügung bekommt. Mehr Personal und höhere Fördergelder der Universität sind zudem auch von Vorteil für die Studenten.
Das klingt ja fast zu schön um wahr zu sein! Wo liegt also der Haken?
Nachteil 1: Finanzierung
Mag ja sein, dass die Scheinstudenten mit ihrer Immatrikulation ordentlich Knete sparen – alle anderen tun dies nicht. Damit Studenten die ganze Bandbreite an Vergünstigungen in Anspruch nehmen können, werden sie vom Rest der Gesellschaft durch Steuern mitfinanziert. Von den Scheinstudenten wird jedoch nicht die erwartete Gegenleistung dafür erbracht: nämlich aktiv zu studieren und zu lernen und am Ende einen Abschluss zu erwerben.
Nachteil 2: Die Studienplätze
Das ist doch mal einen Aufreger wert – in vielen Fällen nehmen Scheinstudenten anderen Bewerbern den Studienplatz weg. Denn da auf einen Studienplatz meist mehrere Bewerber kommen, wird derjenige genommen, der den besseren NC oder mehr Wartesemester hat. Ist das der Scheinstudent, wird er genommen. Um den Platz nach der Zusage nicht ein einziges Mal in Anspruch zu nehmen. Doch auch wenn die Immatrikulation in einem zulassungsfreien Fach erfolgt, gibt es Probleme. Die Universität muss bei der Raum- und Personalplanung mit der Zahl der Eingeschriebenen kalkulieren, egal wie viele davon am Ende auftauchen. Deshalb steht oft ein Professor vor hundert Studenten weniger als erwartet oder Räume bleiben halb leer. Damit werden Ressourcen vergeudet, und das kostet ordentlich Geld.
Nachteil 3: Das Image
Dieser Punkt ist sicherlich nicht so essenziell wie die anderen beiden, aber trotzdem zu bedenken. Denn Scheinstudenten können erheblich dem Image eines Fachs oder der Studierendenschaft allgemein schaden. Sollte die Zahl der Scheinstudenten weiter ansteigen, werden Studenten vermehrt mit Attributen wie faul, Schmarotzer oder Betrüger konnotiert werden. Zulassungsfreie Fächer wie Theologie oder Physik werden vermehrt mit dem Vorurteil konfrontiert, bei ihnen seien ja eh nur Scheinstudenten eingeschrieben. Das könnte das Interesse aktiver Studenten an diesen Fächern minimieren.
Gegen Scheinstudenten vorzugehen ist fast unmöglich. Zum einen haben die Universitäten dafür schlicht nicht die personellen Mittel, zum anderen kann man rechtlich kaum gegen Scheinstudenten vorgehen. Denn mit der Immatrikulation an einer Hochschule verpflichtet man sich nicht automatisch dazu, auch Module zu belegen. Darüber hinaus sehen viele kein Problem in den Scheinstudenten, einige zeigen sogar Verständnis für Auszubildende und Praktikanten mit geringen Gehältern, die etwas sparen wollen. Doch wie sieht es mit Beruftstätigen aus? Und wie steht ihr allgemein zu Studenten, die sich nur zum Schein immatrikulieren und dann zur Karteileiche werden? Wir sind auf eure Meinungen gespannt! Mehr leisten mit oder ohne Studentenausweis könnt ihr euch dank eines Nebenjobs. Die besten findet ihr wie immer bei Jobmensa.
Bilder: fototip/shutterstock.com
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