Ohne Spitzenabi Medizin studieren in Brandenburg: Chance oder Abzocke?
Brandenburg geht der Ärztenachwuchs aus. Immer weniger Medizin-Absolventen entscheiden sich für eine Facharztausbildung in dem – für die stadtfanatische Generation-Y wenig attraktiven – Bundesland. Die Lösung: Eine private Hochschule lockt Bewerber mit weniger NC-fixiertem Auswahlverfahren und viel Praxisbezug. Doch die Sache hat einen Haken.
Chance oder Abzocke?
“Es gibt Länder, wo was los ist – Es gibt Länder, wo richtig was los ist und es gibt – BRANDENBURG”. Diese Beschreibung im Song “Brandenburg” des Kabarettisten Rainald Grebe würden wohl die meisten, die hier mal mehr oder weniger absichtlich gestrandet sind, unterschreiben. Brandenburg – wer jung und talentiert ist und die Wahl hat, der möchte hier in der Regel nicht leben. Angehende Ärzte bilden da anscheinend keine Ausnahme. Entsprechend hat das Bundesland mit einem ernsthaften Problem zu kämpfen: drohendem Ärztemangel. Der Mediziner Dieter Nürnberg und einige seiner Kollegen in Weiß waren das – meist vergebliche – Ringen um geeigneten medizinischen Nachwuchs Leid und gründeten kurzerhand eine eigene Hochschule. Das Konzept: Ärzte werden IN Brandenburg FÜR Brandenburg ausgebildet. Im Auswahlverfahren erhalten auch Bewerber ohne 1,0 Abiturschnitt eine Chance. Persönlichkeit statt NC lautet das selbsterklärte Motto. Der Haken: Ein Studium geht hier extrem ins Geld. Was soll man davon nun halten? Chance oder Abzocke?
Brandenburg: Mehr Schlecker als Chanel
Brandenburg ist so ziemlich das Gegenteil von Berlin. Nicht hip. Nicht sexy. Hier möchte man nicht hin, hier möchte man eher schnell wieder weg. Zumindest wenn man jung und gut ausgebildet ist und die Türen einem in alle Richtungen weit offen stehen. Weniger als 250 Nachwuchsmediziner haben 2014 in Brandenburg ihre Facharztausbildung begonnen. Wenn sich in den nächsten Jahren nichts ändert, fehlt es in einigen Regionen des Bundeslandes demnächst an Haus- und Augenärzten, Frauen-, Kinder- und Hausärzten. An so ziemlich allem, was einen weißen Kittel und das Dr. im Namen trägt also. Je weiter man sich vom dicken Hauptstadt-B entfernt, desto größer wird das Nachwuchsproblem. Die Generation-Y zieht es eben größtenteils in die Städte oder zumindest in die urbanen Speckgürtel – nicht aufs platte Land.
Praxisnah, patientenorientiert – und teuer
An der Medizinischen Hochschule Brandenburg Theodor Fontane kann man seit einiger Zeit nun Medizin studieren. Das Konzept des Modellstudiengangs liest sich auf dem Papier nicht schlecht: “praxisnah und patientenorientiert” soll die Ausbildung sein, man will hier “Persönlichkeiten fordern und fördern”. Im Auswahlverfahren der richtigen Kandidaten für die überschaubaren 48 Studienplätze pro Semester zählt – so der Slogan – Persönlichkeit, Motivation und Praxiserfahrung mehr als die Abiturnote. Hier haben auch Bewerber ohne glatten 1er Schnitt gute Karten. So wie Lydia Bechert, die sich nach dem Abitur mit 1,6 immer wieder vergeblich auf einen Studienplatz in Humanmedizin bewarb und stattdessen in der Wartezeit mehrere Jahre lang als Krankenschwester arbeitete. Trotz fehlender 0 hinter dem Komma auf dem Abizeugnis hat die 28-jährige sich in Vorauswahl und Auswahlgespräch gegen 600 Bewerber durchgesetzt. Am Studium der Brandenburger Hochschule schätzt die junge Frau nun vor allem die Patientenorientierung, berichtet sie gegenüber Zeit Online.
Zu schön um wahr zu sein?
Das Ganze klingt zu gut, um wahr zu sein? Abwarten. Das berüchtigte Haar in der Suppe ist auf den ersten Blick sogar ein fettes Büschel: Die auserwählten Studenten müssen nämlich extrem tief in die Tasche greifen. Also liebe Leute, gut festhalten – 115.000 Euro kostet der Traum vom Medizinstudium an der Brandenburger Hochschule. In den ersten 10 der insgesamt 12 Semester müssen jeweils zum Semesteranfang 11.500 Euro an die Hochschule bezahlt werden. Der Sozialbeitrag und das Semesterticket für Berlin und Brandenburg noch nicht mit eingerechnet. Das ist für deutsche Verhältnisse mehr als happig.
Win-Win-Deal statt Abzocke
Dennoch wäre es falsch, hier von Abzocke zu sprechen. Denn schließen die Studierenden einen Vertrag mit einer kooperierenden Klinik in Brandenburg ab, fallen 80.000 Euro der Studiengebühren weg. Mit 35.000 Euro bleibt dann zwar immer noch ein ordentlicher Batzen übrig. Dafür haben Studenten, die sich für diese Form der Finanzierung entscheiden aber gleichzeitig einen garantierten Arbeitsplatz in der Facharztausbildung der kooperierenden Brandenburger Kliniken sicher. Entsprechend verpflichten sie sich, fünf Jahre nach Abschluss des Studiums dort zu arbeiten. Ein Win-Win-Deal quasi. Die Initiatoren der Hochschule hoffen darauf, dass der hier ausgebildete Nachwuchs nach so vielen Jahren geballtem Brandenburg dort derart heimisch geworden ist, dass er auch nach Ablauf der vertraglich vereinbarten 5 Jahre gerne bleibt. Ob die Rechnung dauerhaft aufgeht, bleibt abzuwarten.
Jobmensa-Fazit: An der Medizinischen Hochschule Brandenburg können junge Menschen ihren Traum vom Medizin Studium ohne 1,0 Abitur wahr werden lassen – wenn sie dafür tief in die Tasche greifen und bereit sind, mehrere Jahre in Brandenburg zu arbeiten. Was haltet ihr von dem Konzept? Würdet ihr euch für euer Wunschstudium aufs platte Land locken lassen? Wir wollen eure Meinung!
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Bilder: wavebreakmedia/shutterstock.com
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