Mit seiner Abschlussarbeit für die Oscars nominiert: Patrick Vollrath im Interview
Patrick Vollrath kommt aus Eisdorf am Harz. Er ist, wie er selbst sagt „leider schon 30“ und hat Filmregie in Wien studiert. Was er mit Leonardo DiCaprio und Matt Damon gemeinsam hat? Sie sind alle drei für die diesjährigen Oscars nominiert. Patrick ist Regisseur und zusammen mit seinem Team verantwortlich für „Alles wird gut“, einen Kurzfilm über hoffnungslose Vaterliebe. Seine Abschlussarbeit. Den Studenten-Oscar konnte er bereits holen, nun heißt es erneut Daumen drücken. Im Interview erzählt uns Patrick, wie er Studium und Filmleidenschaft unter einen Hut bekommt.
Hallo Patrick, bitte beschreibe uns kurz deine ersten Schritte ins Filmbusiness. Was hat dich beeinflusst, was hat dich bestärkt?
Mit 12 oder 13 habe ich angefangen mich für Filme zu interessieren. Ich habe Titanic geschaut und war hin und weg vom Film. Ich habe mich dann damit auseinandergesetzt und Bücher darüber gelesen. Zuerst wollte ich Schauspieler werden und nahm an einer Theater AG in der Schule teil. Ein paar andere aus meinem Jahrgang und ich haben die AG später übernommen und ich habe dann Theater-Regie geführt. Es ist ein natürlicher Prozess: Die Liebe zum Kino gefunden, wahnsinnig viele Filme gesehen. Von Blockbustern bis hin zu Oldies und Arthouse und ich habe weiterhin viel gelesen. Irgendwann war mir klar, dass ich nach der Schule in dem Bereich arbeiten will und ich habe mich umgeschaut. Es war mein Ziel Regie zu führen und Geschichten zu erzählen. Nachdem es hieß nach der Schule sei man noch zu jung um direkt Regie zu studieren, habe ich dann zuerst eine Ausbildung zum Film- und Video-Editor in München gemacht und Praktika absolviert. Anschließend habe ich mich dann für ein Regie-Studium beworben, wurde in München und Ludwigsburg abgelehnt und dann schließlich in Wien angenommen.
Wie siehst du die Chance ohne „Filmstudium“ in der Branche Fuß zu fassen?
Das geht definitiv auch. Mir war das Studium aber wichtig. Es hat einen großen Vorteil: Man kommt in einen Jahrgang mit 17 Mann, die genau das Gleiche machen wollen, die gleiche Leidenschaft und Motivation mitbringen. Du hast automatisch ein Team um dich herum, wenn du einen Film machen möchtest. Alles was du brauchst, hast du vor Ort. Für jeden, der nicht studiert, ist das schwieriger und viel größerer Aufwand. Leidenschaft bleibt aber Leidenschaft. Also wer das machen will, schafft das. Nehmen wir zum Beispiel große Namen wie Fassbinder, Tykwer oder Michael Haneke. Die haben eine Filmuniversität nie von innen gesehen.
Was würdest du jungen Menschen raten, die in die Filmbranche einsteigen möchten?
Man braucht vor allem eine Grundleidenschaft. Die hat man aber meistens eh, wenn man so etwas machen möchte. Man muss wissen, dass der Beruf wahnsinnig hart ist und man viel arbeiten muss. Man wird von allen Seiten bewertet und man wird nie einen Film machen, der allen Leuten gefällt. Habe ein dickes Fell, sei empfänglich für Kritik. Versuche ehrlich zu sein in deinen Projekten und nicht zu kopieren. Erzähl deine Geschichten. Inspiration ist wichtig, aber man sollte seine eigenen Ideen finden. Praktika sind immer gut für so etwas. Man sollte sich nie zu wichtig nehmen. Emails schreiben an alle möglichen Produktionsfirmen. Ablehnung heißt noch gar nichts. Einfach nicht aufgeben.
Wie konntest du dir dein Studium und deine Abschlussarbeit finanzieren? Stipendien? Nebentätigkeiten (vielleicht schon in der Filmbranche? Als Komparse o.ä.)?
Durch drei Jahre Ausbildung habe ich gleich zu Beginn eigenes Geld selbst verdient und konnte mir mein Leben so damals finanzieren. Im Studium haben mich zwei Jahre lang meine Eltern noch mit einem kleinen monatlichen Betrag unterstützt. Ich habe mir noch einen kleinen Job nebenbei gesucht und angefangen kleinere Filmsachen und Werbung zu machen. Bei vielen Aufträgen, habe ich einfach immer „Ja“ gesagt, deshalb hat das Studium auch etwas länger gedauert. Ein Stipendium hatte ich nicht. Für meine Abschlussarbeit hatte die Uni ein kleines Budget. Es gibt außerdem Förderstellen, bei denen man was einreichen muss, aber das lernt man alles im Studium.
Wie schätzt du die Situation ein: Ab wann können junge Filmschaffende von ihrer Arbeit leben?
Schwer zu sagen. Ich konnte von meiner Ausbildung und von meinen Nebentätigkeiten, z.B. als Cutter, damals schon ohne Hilfe von meinen Eltern leben. Als das Studium begann, musste ich wieder von 0 anfangen. Ich war in eine andere Stadt gezogen und hatte noch keine Nebentätigkeit. Es kommt immer darauf an. Gerade in technischen Berufen, wie zum Beispiel Schnitt und Kamera, kann man, wenn man gut ist, recht schnell gut davon leben. Bei Regie und Drehbuch ist es schwieriger, da muss man sich erst mal weiter hocharbeiten. Es ist schwierig und dauert seine Zeit. Jeder erlebt dort auch mal schwerere Phasen.
Hast du Vorbilder oder Menschen, die dich bei deiner Arbeit inspirieren?
Ich habe immer versucht von allen möglichen Leuten, die ich als Regisseur toll fand, zu lernen, über sie zu lesen, mit ihnen zu reden. Ein paar von ihnen gaben Workshops bei uns. Da habe ich natürlich versucht so viel wie möglich mitzunehmen. Jeder Film, den ich toll finde, inspiriert mich. Ich versuche dann immer mehr über die Arbeitsweise des Regisseurs herauszufinden. Ich habe bei Michael Haneke (Regie „Das Weiße Band“, „Liebe“, u.a.) studiert, ein großer Filmemacher. Er hat mich natürlich mein ganzes Studium lang begleitet. Da habe ich viel mitgenommen und gelernt.
Hast du geahnt, dass deine Abschlussarbeit so einschlagen würde? Was ist das für ein Gefühl für einen Oscar nominiert worden zu sein?
Nein, man kann nie schon vorher sagen, „damit möchte ich Preise gewinnen“. Es ist nicht planbar und das sollte man auch nicht planen. Man sollte nie einen Film „für“ etwas machen, sondern weil man diese Geschichte erzählen möchte. Alles was danach kommt, liegt nicht in der Hand der Filmemacher selbst. Es gehört auch immer eine Portion Glück dazu, so viele Leute damit anzusprechen. Viel wichtiger ist, dass man es mit der richtigen Motivation macht.
Erzähle uns ein bisschen von „Alles wird gut“. Wie entstand die Idee? Worum geht es?
„Alles wird gut“ ist ein Kurzfilm, ein Drama mit Thriller-Elementen, in dem es darum geht, dass ein Vater aus Liebe und Verzweiflung seine eigene Tochter entführen möchte. Die Idee ist entstanden aus einem Zeitungsartikel mit einem ähnlichen Fall. Ich habe dann angefangen zu recherchieren und mehrere solcher Fälle gefunden. Ich habe mich immer gefragt, wie ein Elternteil sein Kind liebt und aus Liebe etwas machen kann, was dem Kind schadet. Dafür habe ich mich mit vielen Leuten getroffen. Polizisten, Psychologen, Leute, die so etwas miterlebt haben. Mir sind viele starke Momente in Erinnerung geblieben. Mit dieser Frage im Hintergrund habe ich dann geschrieben.
Wem wirst du danken, solltest du den Oscar in deinen Händen halten?
Ich glaube nicht, dass wir gewinnen werden. Generell – ob wir den Oscar in der Hand halten werden oder nicht – bin ich meinen Eltern wahnsinnig dankbar. Sie haben nie hinterfragt, was ich mache. Gerade die Anfänge waren ja doch schwer. Ich danke allen, die mich unterstützt haben und auch denen, die nicht an mich geglaubt haben. So etwas kann auch motivieren. Speziell bei diesem Film hatten wir einfach ein tolles Team. Wer den Film sieht, wird sehen, dass wir ohne die beiden großartigen Schauspieler (Simon Schwarz, Julia Pointner) niemals so viel erreicht hätten.
Was sind deine Pläne und Ziele für die Zukunft? Dürfen wir weitere Filme erwarten? Vielleicht auch Spielfilme?
Seit Mitte des Jahres habe ich ein Treatment (Kurzform eines Drehbuchs) für einen Film, da schreibe ich mittlerweile am Drehbuch und habe dafür auch schon eine Förderung bekommen. Produzenten sind auch schon mit im Boot. Da läuft der erste Weg also bereits und es wird – hoffentlich – mein Debütfilm. Ich hoffe einfach, dass der aktuelle Erfolg und die Aufmerksamkeit jetzt dazu beitragen, dass wir diesen Film dann am Ende auch wirklich finanziert bekommen und drehen können.
„Alles wird gut“ wird am 28. Februar vor der Oscar-Verleihung im BR TV-Premiere feiern. Bei den Oscars ist der Streifen als „Everything will be okay“ nominiert in der Kategorie „Short Film (Live Action)“. Wir drücken die Daumen und bedanken uns bei Patrick Vollrath für das Interview.
Ihr habt es selbst gelesen! Über Nebenjobs könnt ihr es bis zu den Oscars schaffen 😉 Da trifft es sich hervorragend, dass wir jede Menge Jobs für euch auf Lager haben.
Bilder: patrickvollrath.com
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