Mit Oma im Hörsaal – Erfahrungen mit Senioren als Gasthörer
Szenen aus dem Hörsaal: “Kind, jetzt sei doch mal ruhig, ich will mich konzentrieren!” – “Okay Oma…”. Das mag jetzt noch absurd klingen, aber vielleicht liegt hier die Zukunft des universitären Alltags. Gehen wir bald mit unseren Großeltern in die Uni? Bereits jetzt ist mehr als jeder 2. Gasthörer in den Vorlesungssälen älter als 60 Jahre. Da sich aufgrund der demografischen Entwicklung das Verhältnis von jung und alt in den nächsten Jahrzehnten weiter verschiebt, wird der Anteil an Senioren an der Uni zunehmen. Denn das Interesse an universitärer Bildung ist groß. Auch die Universitäten propagieren das Ideal des Lernes der Generationen neben- und miteinander. Doch wie empfinden Studenten die Anwesenheit von Rentnern in der Uni? Die Meinungen gehen auseinander.
“Senioren denken, sie wissen alles besser”
Mario studiert Geschichte, seine Meinung über die betagten Studenten ist eindeutig: “Die gehen mir gehörig auf den Senkel”. Gerade in geisteswissenschaftlichen Fächern, insbesondere der Geschichte, bilden in einigen Vorlesungen die Senioren schon fast die Mehrheit. Nicht gerade zur Freude der jungen Studenten, so wie Mario einer ist. Seine Erfahrungen mit den Rentnern entsprechen dem Ideal des Generationen übergreifenden Austauschs auf Augenhöhe mal so ganz und gar nicht. Seiner Auffassung nach verspüren die Rentner gegenüber den jungen Studenten oft eine Art Erziehungsauftrag, sie kritisieren das Auftreten und die Sprechgewohnheiten. “Auf der anderen Seite”, so Mario, “benehmen die sich selbst unmöglich. In meinen Geschichtsvorlesungen wird der Professor pro Sitzung mehrmals unterbrochen, und das eigentlich immer von den Rentnern. Die plappern entweder einfach rein, machen unwissenschaftliche Kommentare, oder meinen, alles besser zu wissen. Als wir letztens die Nachkriegszeit behandelt haben, unterbrach ein älterer Herr unseren Prof ernsthaft mit den Worten: ‘Das können SIE doch gar nicht wissen, SIE sind ja nicht dabei gewesen!’ Das nervt und hält uns im Stoff auf”.
Marios Meinung teilen so einige seiner Kommilitonen. Sie sind zunehmend von den Senioren genervt, die offenbar nicht verstehen, dass eine Vorlesung nicht der richtige Ort ist, um ihre eigenen Erfahrungen zu diskutieren. Dass diese Senioren Extremfälle sind, weiß Mario selbst. “Aber das ändert ja nichts daran, dass ich mich in meinem Studium von ihnen beeinträchtigt fühle”. Diese Beeinträchtigung geht über das Verhalten einiger Renter innerhalb des Vorlesungssaales hinaus. Einige Studenten klagen über mangelnden Platz im Hörsaal aufgrund von zu vielen Gasthörern, andere bekommen keine Sprechstunde mehr beim Prof, weil sich die schon die Senioren gesichert haben. Neulich bekam Mario keine Kopie einer Literaturliste mehr, weil so viele Gasthörer sich eine genommen hatten. “Mit Büchern zur Hausarbeitszeit wird es auch oft eng”, berichtet Mario. “Die sehen einfach nicht ein, dass wir die vielleicht dringender benötigen könnten als sie”. Gegen ein komplettes Univerbot für Senioren ist Mario nicht. “Aber die sollen doch bitte ihre eigenen Veranstaltungen bekommen”.
“Für mich sind die Senioren eine Bereicherung”
Paulina hat andere Erfahrungen mit den Rentnern in der Uni gemacht. Sie studiert Kunst und behauptet: “Die Senioren sind teilweise motivierter als die jungen Studenten. Schließlich besuchen sie eine Vorlesung nicht nur, weil sie einen Schein dafür brauchen, sondern aus reinem Interesse”. Paulina meint, viele machen aus den Rentnern die Sündenböcke für ihre eigene Unzufriedenheit. Ihr selbst sei noch kein einziger älterer Mensch im Hörsaal negativ aufgefallen. Die ganze Diskussion darum findet sie auch überzogen, immerhin würden alle Gasthörer nur etwas mehr als 1% der gesamten Studierendenschaft ausmachen. Die Rentner, die sie in ihren Veranstaltungen erlebt hat, hätten den Kurs bereichert. Oftmals sei erst durch ihre Anmerkungen überhaupt eine Diskussion entstanden, während viele junge Studenten unaufmerksam in den letzten Reihen herumlungerten. Wenn irgendwo mal Materialien fehlen würden, müsste sich eben die Uni oder der Dozent um eine Aufstockung bemühen. “Die älteren Menschen haben doch genau den gleichen Anspruch auf Wissen wie wir auch”.
Letztes Semester hat eine der Rentner-Gasthörerinnen Paulina zudem mal aus der Klemme geholfen. “Als ich durch eine Krankheit einige Wochen fehlte, bot sie mir anschließend von sich aus ihre Mitschriften zum Lernen an. Die waren besser als die meiner anderen Kommilitonen, das war echt klasse”. Gerade in ihrem Studienfach wäre sie froh über die Rentner, die meist für das Fach brennen. Einmal hatte ein Münzsammler Anschauungsmaterial mitgebracht. “Das war cool”.
Wenn Paulina mal in Rente geht, möchte sie sich auch als Gasthörerin zurück an die Uni begeben. “Das ist doch eine gute Sache”, sagt sie, “Man bildet sich weiter und bleibt mit jungen Leuten in Kontakt”.
Welche Erfahrungen habt ihr mit betagten Gasthörern gemacht? Haben sie euch ähnlich genervt wie Mario oder im Studium bereichert, so wie bei Paulina? Wir sind auf eure Meinungen gespannt! Wenn ihr noch auf der Suche nach einem coolen Nebenjob seid, dann registriert euch doch bei Jobmensa.
Bilder: Sergey Nivens/shutterstock.com
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