Liebes Ersti-Ich… ein Brief an mich selbst
Liebes Ersti-Ich,
erst vor ein paar Tagen ist der bitterlich herbeigesehnte Zulassungsbescheid in dein Postfach geflattert. Glückwunsch, altes Mädchen! Seit du denken kannst, wolltest du raus aus diesem Kaff – jetzt ist es soweit. Und du hast plötzlich Panik.
Glaube mir, meine Liebe: alles wird gut.
Ja ich weiß, so hattest du dir das nicht vorgestellt. Du hattest dich damit abgefunden, dass es mit dem Studium in diesem Semester nichts mehr werden würde. Hattest den Schock, dass zum ersten Mal in knapp 20 Jahren etwas unerhörterweise die Dreistigkeit besaß, nicht auf Anhieb zu klappen, überwunden. Und ja, dass du nachgerückt bist und die Ersti-Woche verpasst hast, wird es dir anfangs nicht leicht machen Anschluss zu finden. Aber hab keine Angst. Du bleibst nicht lange allein. Spoiler-Alarm: Du und dieses Mädchen mit der lustigen Frisur, das heute mit dir durch das endlose Uni-Flur-Labyrinth geirrt ist, werden schon bald unzertrennlich sein.
Und das ist nur der Anfang.
Du wirst auf Menschen treffen, die völlig anders sind als du. Viel jünger, viel älter, aus den verschiedensten Ecken der Welt und mit den verschiedensten Vorstellungen vom Leben. Aber liebes Ersti-Ich, urteile nicht so schnell. 20 lange Jahre hast du nun in unserem Kleinstadt-Universum verbracht. Immer umgeben von mehr oder weniger den gleichen Leuten mit mehr oder weniger den gleichen Hobbys und mehr oder weniger den gleichen Ansichten. Würde ich dir jetzt die großartigen Menschen zeigen, mit denen du bald die meiste Zeit verbringen wirst, du würdest nur verwundert die Stirn runzeln (was du wirklich lassen solltest, das gibt fiese Falten).
Zweifel nicht an dir.
Du würdest es nie zugeben, aber ich kenne dich zu gut. Wie ein giftiger Stachel bohren sich die Selbstzweifel seit deiner ersten Seminar-Stunde tief in dein Hirn. In der Schule hast du zu den Besten gehört, plötzlich bist du umgeben von lauter unfassbar motivierten Brains, die alle mindestens genauso schlaue Sachen sagen wie du. Wie sollst du hier nur mithalten? Bitte glaub mir, wenn ich dir aus der Zukunft rate: lass dich nicht einschüchtern. Trau dich, mach im Seminar den Mund auf – die anderen kochen auch nur mit Wasser. Du darfst auch mal etwas Falsches sagen, das ist okay. Niemand lacht dich dafür aus oder reißt dir den Kopf ab. Du studierst, weil dich dein Fach interessiert, schon vergessen? Lass dir die Freude daran nicht dadurch nehmen, dass du dich mit anderen vergleichst.
Und lass dich bloß nicht von dem vielen Lernstoff abschrecken. Ich will dich nicht anlügen: Du wirst vor den Klausuren abartig (ABARTIG!!) viel lernen müssen. Die Textberge, die jetzt schon das blanke Entsetzen in dir aufsteigen lassen, werden leider eher größer als kleiner werden. Den Satz “Für die eine Prüfung müssen wir mehr lernen als für das ganze Abi!” wirst du voller Panik mehr als einmal aussprechen bis du merkst, dass alles halb so wild ist (außer die Basisklausur Soziologie, die ist die verdammte Hölle!). Du hast den Dreh schneller raus als du denkst.
Ich weiß, du wirst nicht auf mich hören,
aber fahr nicht jedes Wochenende nach Hause. Du wirst nie richtig in der neuen Stadt ankommen, solange du nur auf der Durchreise bist und ständig auf gepackten Koffern sitzt. Ich wünschte, ich könnte dir sagen, dass das wöchentliche Pendeln der Liebe wegen sich am Ende lohnt. Vieles wird anders kommen als du jetzt denkst – und das ist gut so.
Denn es gibt so viel, auf das du dich freuen kannst!
Du wirst geniale Mitbewohner – darunter sogar eine Seelenverwandte fürs Leben – finden, mit denen du stundenlang in der Küche bei einem Tässchen Tee über Gott und die Welt philosophierst. Die besten (und auch die schlechtesten) Partys deines Lebens warten auf dich. Du wirst im Auslandssemester waschechte Abenteuer erleben und in jeglicher Hinsicht mehr lernen, als du es dir jetzt vorstellen kannst. Du wirst lernen alleine zu sein und die Dinge auch ohne Mama zu regeln.
Also mach dir keine Sorgen, junges Fräulein. Es wird auch mal turbulent zugehen, du wirst nicht nur gute Ideen haben, falsche Entscheidungen treffen, hin und wieder einsam und noch öfter überfordert sein. Aber eins verspreche ich dir: Dein Studium wird großartig.
Die ersten Tage an der Uni hast du schon geschafft, liebes Ersti-Ich. Halte durch! Vor dir liegen wunderbare, aufregende Jahre!
Es drückt dich aus der Zukunft, deine Laura
P.S.: Noch ein kleiner Hinweis am Rande für deine ersten Semesterferien… nein, erst eine Woche vor der Abgabefrist mit der ersten Hausarbeit anzufangen ist definitiv KEINE gute Idee!
Bilder: Yulia Grigoryeva/shutterstock.com
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