„Jede Idee hat ihre Berechtigung zu leben“
Diese Woche stellen wir euch jeden Tag junge Gründer vor. Heute sind es gleich vier: Charlotte, Athenea, Marie und Gina haben mit Hilfe von startnext das Stadt-Magazin PAPER für Köln gegründet. Sie wollen wieder stärken, was Köln, was eine Stadt an sich, ausmacht – die Viertelkultur, die Geschichten der Menschen, die kleinen Läden mit individuellem Charme. Wir treffen uns im Rathenauviertel, das auch den Schwerpunkt der ersten Ausgabe bildet, in Maries Laden, in dem diese Gründerstory vor einem Jahr begann. Im Interview erzählen sie uns, wie man am besten kein Crowdfunding macht, dass man auch neben Job und Uni gründen kann und was am Ende zählt, wenn man eine Idee wirklich umsetzen will.
Zu den Gründerinnen: Charlotte steht in den letzten Zügen ihrer Masterarbeit, Gina studiert ebenfalls und arbeitet als freie Autorin, Marie hat einen Modeladen und Athenea ist freie Grafikdesignerin und Gründerin von WEARECITY. Alle vier leben in Köln.
Ihr kommt alle aus verschiedenen Richtungen, zwei von euch studieren noch. Wie kam der Kontakt und schließlich die Idee zustande?
Athenea: Ich gebe mit meinem Freund das Online Magazin WEARECITY heraus. Dort gibt es eine Rubrik, die Stadtfreunde – Kölner Persönlichkeiten, die ihre Liebelingsorte zeigen. Darüber haben wir Marie kennengelernt, die uns angesprochen hat, ob wir nicht gemeinsam ein Print Magazin herausbringen wollen. Gina und Lotte sind zunächst als Autoren für WEARECITY dazu gekommen.
Marie: Ich hatte die Idee nicht alleine. Wir sind hier viele Läden in der Gegend und treffen uns ab und zu und besprechen, was wir tun können, um im Gespräch zu bleiben, angesichts der vielen Onlinehändler. In vielen deutschen Städten gib es coole Stadtmagazine, doch in Köln nicht. WEARECITY war schließlich der ideale Partner, der neutral ist und nicht einen Laden oder ein Viertel priorisiert.
Einen essentieller Teil des Projekts machen die kleineren Läden und die Entdeckung von Geheimtipps im Viertel aus…
Marie: Ja genau, das ist ja auch was WEARECITY versucht. Wie die Stadtfreunde geben unsere Autoren persönliche Tipps.
Athenea: Der Grundgedanke ist es, die eigene Stadt immer wieder neu zu entdecken. Nicht nur Läden, sondern auch die Geschichten und Bewohner des Viertels. Unser erstes Leitthema ist dementsprechend auch Neugierde.
Wie verarbeitet ihr die Themen im Magazin?
Lotte: Es wird Artikel geben, eine Glosse, eine Modestrecke, einen Dialog mit Menschen aus anderen Vierteln. Gina spricht beispielsweise mit dem Ingo vom Theater im Hof oder dem Andreas vom Büdchen. Also mit Leuten, die hier schon lange leben und etwas über das Viertel erzählen können. Es ist eine Mischung aus Underground Hotspots und den authentischen Geschichten des Viertels.
Man könnte sagen, dass ihr euch für die Rückeroberung des öffentlichen Raums durch die lokalen und im Viertel verankerten Institutionen und Geschäfte einsetzt. Seht ihr da eine generellen Trend?
Gina: Die Veedelskultur, die in Köln immer so hochgehalten wird, ist bereits ein Stück weit verloren gegangen. Wir wollen mit dem Magazin auch den jüngeren Leuten genau das wieder näher bringen, indem wir von Orten erzählen, die in Köln Teil der Geschichte und Kultur sind.
Athenea: Das macht ja eine Stadt so spannend, diese kleinen Läden, die Tipps, die Szenen.
Ihr habt eurer Magazin erfolgreich über Startnext finanziert bekommen. Wie seid ihr das angegangen, war Crowdfunding von Beginn an der Plan?
Lotte: How to not do Crowdfunding – so könnte unser Youtube Channel heißen.
Athenea: Nein, überhaupt nicht. Wir sind, so muss man das heute sagen, etwas naiv an die Sache heran gegangen. Wir dachten uns, für ein Printmagazin schaltet man am besten Werbeanzeigen und dann passt das schon.
Marie: Und auf die Läden haben wir auch gesetzt. Es gibt ja bereits City Führer, die einfach nur die Läden bewerben. Das kostet den Laden 500-1000 Euro.
Aber das hat nicht geklappt?
Athenea: Es ist schwierig, wenn man etwas Neues startet und Menschen überzeugen muss, sich zu beteiligen, wenn sie nicht sicher wissen, ob es sich für sie lohnt. Viele haben gesagt, bei der nächsten Ausgabe sind wir dabei. Wir hatten ja nichts, was wir konkret vorweisen konnten.
Gina: Durch unsere Recherchen im Viertel, die vielen Gespräche, ist der WEARECITY Gedanke immer stärker geworden. Also haben wir uns gedacht, warum die Menschen nicht einbeziehen?
Marie: Durch das Crowdfunding konnten wir auch schneller auf das Heft aufmerksam machen und hatten direkt den Realitätscheck, wie die Idee überhaupt ankommt.
Ihr habt also den Bedarf gar nicht vorher überprüft?
Athenea: Uns war allen klar, so wie wir uns das vorgestellt haben, gibt es das noch nicht.
Gina: Durch WEARECITY hatten wir ja schon eine gewisse Reichweite. Das hat uns die Sicherheit gegeben, dass es eine große Zahl an Menschen gibt, die Interesse am Stadtgeschehen haben.
Marie: Mit der Crowdfunding Kampagne haben uns dann auch endlich Menschen von sich aus angesprochen, ob sie bei uns eine Werbung schalten dürfen.
Lotte: Das lag besonders am Video, das Ginas Freund für uns gemacht hat und das einfach richtig gut produziert ist. Ein dreiviertel Jahr hat es gedauert, bis es fertig war.
Am Video scheitern ja viele…
Marie: Ja, weil es leider oft unprofessionell aussieht. Die einen filmen mit ihrem Handy, die anderen machen eine Slideshow. Da hatten wir Glück. Durch das Video haben sich viele gedacht, da muss jetzt was richtig gutes kommen.
Was waren denn für euch die entscheidenden Komponenten, um das Projekt umzusetzen?
Marie: Neben dem Video war es das gesamte Netzwerk, das uns mit Zeit und Hilfe unterstützt hat. Unsere Fotostrecke hat ein Team gemacht, das normalerweise 10 000 Euro nimmt. Auch dafür war das Video wieder wichtig, um den Leuten zu zeigen, wer wir sind.
Athenea, du hast bereits ein wenig Erfahrung durch WEARECITY, wo liegt für dich der Unterschied zwischen der Gründung eines Online Magazins und einer Print Ausgabe?
Athenea: Beim Online Magazin brauchst du einen viel längeren Atem, da du im Netz erst mal auf dich aufmerksam machen musst. Erst hast du 20 Leser, irgendwann 40. Aber bis du wirklich viele Menschen erreichst, kann es Jahre dauern. Für die Printausgabe waren es andere Schritte, aber am Ende hat man etwas zum Anfassen.
War die Entscheidung für eine Print Version, also etwas zum Anfassen zu schaffen, auch im Hinblick auf die Themen Stadtviertel und Lokalität für euch entscheidend?
Marie: Ja, ich denke in vielen Bereichen verläuft die Entwicklung aktuell so. Zurück zum Handwerk, zurück zur Qualität, mehr Entschleunigung. Bei einem Online Magazin hängt man ja schon wieder am Handy und macht währenddessen noch anderes. Online weiß man oft gar nicht, ob das überhaupt journalistische Arbeit ist. Wenn man aber heute noch Print macht, dann ist es auch ein Stück weit seriös. Die Kosten nimmt sonst keiner mehr in die Hand.
Gina: Das Paper soll mehr ein Liebhaberstück sein. Es ist ein Zusatz zu den kurzfristigen Angeboten im Online Bereich. Jede Ausgabe beschäftigt sich dabei mit einem anderen Viertel…
Lotte: …Dadurch verliert es nicht an Aktualität. Es ist also auch ein Sammlerstück.
Wie war euer Workflow im letzten Jahr, wie viel habt ihr an der Idee gearbeitet? Hattet ihr noch Jobs nebenbei?
Marie: Ja, das ist genau der Grund, warum sich das so lang gezogen hat. Ich habe hier den Laden, da kann ich nicht einfach mal weg. Irgendwann haben wir uns dann auf den Dienstag geeinigt, um eine Routine zu entwickeln, trotz unserer Jobs.
Athenea: Jeder hat für sich an Themen gearbeitet, Gina und Lotte haben noch studiert, ich arbeite selbstständig als Grafikdesignerin. Bei den Treffen haben wir dann alles zusammengetragen.
Gina: Wichtig war das Grundvertrauen, das wir ineinander haben. Wir wussten, dass jede zuverlässig die Aufgaben erledigt, die sie hat.
Wie schätzt ihr die finanzielle Zukunft für euch durch das Magazin ein? Lotte, du bist demnächst mit deinem Studium fertig, suchst du dir noch einen anderen Job oder kann das Magazin für ein festes Einkommen sorgen?
Lotte: Ich werde sicher, solange WEARECITY noch ehrenamtlich ist, weiter kellnern gehen. Natürlich arbeiten wir darauf hin, dass wir irgendwann davon leben können. Aber uns ist allen klar, dass das nicht in den nächsten drei Monaten passieren wird.
Athenea: Wir planen mit We Are City auch noch andere Projekte, die auch eine Wirtschaftlichkeit anstreben. Somit setzt sich unser Einkommen möglicherweise bald aus verschiedenen Quellen zusammen.
Zu guter Letzt: Was ist euer Rat an junge Menschen, die ebenfalls den Reiz haben zu gründen?
Athenea: Es hört sich vielleicht kitschig an, aber am Ende des Tages ist es wichtig, sich selbst treu zu bleiben. Es kommen natürlich viele Faktoren hinzu, wie ein gutes Team.
Marie: Du musst zwar einerseits an dich glauben, aber du solltest offen sein für Optimierung, auch auf Leute hören, die dir sagen, dass du lieber nicht bei DSDS singen solltest, weil du es nicht kannst. Man muss schon ehrlich mit sich sein und andere Wege in Betracht ziehen. Ich stimme diesem Tenor der Gesellschaft beim Thema Gründung, jeder kann alles schaffen, nicht so zu. Man muss sich auch eingestehen können, dass man etwas nicht so gut kann und an seine Grenzen kommt.
Gina: Ich habe für mich in den letzten Monaten gemerkt, wie wichtig es ist, einfach anzufangen. Ich kenne so viele Freunde, die irre Träume und tolle Ideen haben, aber nichts davon umsetzen. Erst wenn du anfängst, kannst du besser werden.
Athenea: Am Ende entscheidet das ja auch der Markt, ob deine Idee gut ist. Ich habe mal einen schönen Satz gehört: Sobald du einen Kunden hast, hat die Idee Berechtigung zu leben.
Das Veedel Magazin PAPER erscheint erstmals ab nächster Woche.
Bilder: WEARECITY
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