Ihr wollt es doch auch! Wie Eltern die Karrieren ihrer Kinder beeinflussen
Angesichts der gestiegenen Studierendenzahlen könnte man meinen, die Türen deutscher Hochschulen stünden für jedermann weit offen. In der Tat: Rund 50 Prozent eines Jahrgangs machen derzeit das Abitur. Und flankierend finden sich zunehmend solche Pfade, die jungen Menschen auch ohne klassische Hochschulzugangsberechtigung den Weg in die akademische Karriere ebnen. Alles in Ordnung also? Stimmt die Beute? Nicht ganz, aber es gibt Lösungen.
Zwar ist statistisch nachvollziehbar, dass die schiere Zahl der Studierenden in Deutschland innerhalb weniger Jahre von unter 2 Millionen auf über 2,6 Millionen angewachsen ist. Doch während dieses Plus – immerhin fast 25 Prozent – bei zeitgenössischen Finanzdienstleistern als gigantische Rendite durchginge, bringt es mit Blick auf das Bildungswesen immer mehr Menschen auf die Palme. So schallt es neuerdings lautstark „Akademisierungswahn!“ durch die Flure der Hochschulen, wenn die Schlangen vor den Einschreibungsbüros mal wieder bis zur Mensa reichen.
Insofern, ja, vielleicht gibt es derzeit ein paar Studierende zu viel, aber das soll nicht das Thema sein. Denn vielmehr interessiert uns die Frage, ob hier, in dieser Schlange, wirklich alle sozialen Gruppierungen und Herkünfte zu finden sind? Oder lässt sich dem in manchen Kritiken zum Massengut verkommenen Studium etwa doch noch etwas Elitäres, etwas Ausgrenzendes andichten? Heute, wo gefühlt wirklich jeder junge Mensch eine Hochschule besucht?
Akademikereltern = Akademikerkinder?
Spannende Fragen, wie wir finden. Und siehe da: Aktuelle Analysen weisen darauf hin, dass mitnichten allen Schichten die Türen zu Unis oder Fachhochschulen gleich weit offen zu stehen scheinen. Das nominelle Bildungsgefälle – wodurch auch immer begründet – ist nach wie vor beträchtlich. Als geradezu schlagend ist in diesem Zusammenhang zu bezeichnen, dass auch heute noch über 75 Prozent aller Studierenden aus Akademikerhaushalten kommen.
Gut, die Zahl der Eltern mit abgeschlossenem Studium hat sich nach den hochschulpolitischen Weichenstellungen der letzten Jahrzehnte („Bildung für alle!“) in erfreulicher und überdies ökonomisch notwendiger Weise erhöht. – Daher auch die derzeitigen Wachstumsraten an den Hochschulen. Aber ist es damit schon getan? Oder mehr noch: Wie sollte der eingangs artikulierte Ruf nach einem strukturellen Rückbau der Akademisierung in Deutschland zu rechtfertigen sein, wenn selbige noch längst nicht in allen Schichten angekommen ist? Da stimmt doch was nicht.
Arbeiterkinder machen nicht mit! Warum?
Nehmen wir zur Veranschaulichung die Kinder aus dem Arbeitermilieu. Kinder von Handwerkern, Autohändlern, Friseurinnen oder Verkäuferinnen. Vermeintlich schaffen hier derzeit lediglich 20 Prozent den Sprung an die Hochschulen. Riecht formal schwer nach Ungerechtigkeit, ist aber so auch nicht ganz richtig, da ganz offensichtlich vieles im Bildungsbereich aus familiärer Tradition geschieht. Und zwar gleichermaßen – bei Akademikern und Arbeitern. Daher, bevor es vollends verworren wird: Zeit für ein paar wissenschaftlich fundierte Wahrheiten über das Studieren und Nichtstudieren in Deutschland…
Fakt 1: Akademikereltern haben mehrheitlich ein großes Interesse daran, den eigenen Bildungsweg zu tradieren. Entsprechend „unfrei“ entscheiden sich viele Akademikerkinder für ein Studium – auch bei Nichtgefallen des Gedankens daran. Hohe Abbruchwahrscheinlichkeit!
Fakt 2: Ähnlich – und doch anders – verläuft es bei Arbeitereltern, die ihren Kindern selbst bei entsprechender Schulbildung häufig zur „handfesten“ und „grundehrlichen“ Ausbildung raten. Das heißt: Ein Gutteil der milieubezogenen Schere an den Hochschulen ist selbst gemacht – und kein Anzeichen von sozialer Ausgrenzung.
Fakt 3: Durchlässigkeit ist als Idee prima, muss aber in der Praxis besser umgesetzt werden. Heißt: Insbesondere den bei der Vermittlung von berufspraktischen Inhalten schwächelnden Unis muss es gelingen, Brücken zum Ausbildungsmarkt zu bauen. Duale Studiengänge wären in vielen Fächern der ideale Weg – gibt es aber noch zu selten.
Fakt 4: Es mehren sich die Anzeichen, dass akademische Bildung langfristig an Relevanz verliert. Nicht, weil es pauschal zu viele Absolventen gibt, sondern weil Experten davon ausgehen, dass der technische Fortschritt den Menschen auch aus komplexen Berufen verdrängen wird. So wie er es vor Jahr und Tag mit einem Teil der Arbeiterklasse gemacht hat.
Jobmensa meint:
Am akademischen Bildungsmarkt sorgen derzeit zwei Kunstbegriffe für unnötigen Wirbel.
1. „Akademisierungswahn“ ist als Schlachtruf einfach zu drastisch, weil er beträchtliche Teile der Bevölkerung außen vor lässt. Nämlich solche, die sich dem akademischen Treiben bewusst entziehen – und (zunächst) eine Ausbildung machen. Immerhin verzichtet mehr als jeder fünfte junge Mensch mit einer Hochschulzulassungsberechtigung auf deren Anwendung.
2. „Durchlässigkeit“ ist in der Theorie gigantisch, weil sie Bildungschancen schafft. Aber: Vor dem Hintergrund des drastischen Mangels an Auszubildenden ist es verfehlt, einseitig in Richtung Studium zu argumentieren. Es muss vielmehr gelingen, der Lehre den Anschein von sozialem Abstieg zu nehmen. Gelingt dies, klappt es vielleicht auch mit Akademikerkindern und frustrierten Studienabbrechern. Am Ausbildungsmarkt wird schließlich jeder gebraucht.
Und egal, auf welchen individuellen Bildungsweg es letztlich hinausläuft: Am Ende sollte zwingend der Wille der Kinder den Ausschlag geben – und nicht der elterliche.
Bilder: LoloStock/shutterstock.com
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