„Ich glaub, ich kann nicht mehr!“ Die große Angst vorm Scheitern
Im Grunde sind Scheitern und Erfolg in einer Leistungsgesellschaft zwei Seiten ein und derselben Medaille. Wahrscheinlich wird heutzutage sogar deutlich mehr gescheitert als gewonnen. Wer weiß? Da jedenfalls das Scheitern auch zum Studieren dazu gehören (kann), wollen wir heute mal über den bestmöglichen Umgang mit der Gefahr einer persönlichen Niederlage sinnieren.
Eigentlich wäre es nun erstmal angebracht, mit einer Liste gescheiterter Schüler oder Studenten zu beginnen, die es im späteren Leben doch noch zu was gebracht haben. Zu Nobelpreisen etwa, Oscar-Trophäen, Vorstandsposten, Ministerämtern oder sonst was.
Diesen Schritt ersparen wir der Leserschaft jedoch, da die Liste – sofern akribisch recherchiert – lang und länger würde. Daher nur soviel: Es gibt schier unzählige Bespiele dafür, dass situatives oder sogar temporäres Scheitern nicht das Ende aller Tage bedeuten muss. So auch, wenn es sich um hochschulisches Scheitern handelt – oder nur die Angst davor.
Angststörungen an Hochschulen auf dem Vormarsch
Zunächst die nicht ganz so angenehme Wahrheit: An Deutschen Hochschulen werden seit Jahren drastisch ansteigende Fälle von Prüfungs- und Versagensängsten, Erschöpfungszuständen, Aufschiebeverhalten, Schlafproblemen und sonstigen Indikatoren verzeichnet, die nicht eben auf ein entspanntes Grundverhältnis zum persönlichen Scheitern schließen lassen.
Nicht, dass das jemals der Fall gewesen wäre. Scheitern hat der Menschheit auch vor 100 Jahren keinen Spaß bereitet. Aber bedenklich sind dann eben doch das inzwischen erreichte Ausmaß und die Evidenz des Ganzen – gerade auch in jungen Jahren. Wir halten also fest: Der Stresspegel an den Hochschulen hat ein mitunter ungesundes Maß erreicht. Zeit für die Ursachenforschung.
Gründe für die Angst vorm Scheitern gibt es reichlich
Hier gehen die Meinungen weit auseinander. Häufig scheint es aber eine Mischung aus konkreten und tendenziell diffusen Ängsten zu sein, die sich allesamt um das Potenzial des Scheiterns drehen. Auslösende Fragen können sein:
→ „Finde ich mit meiner Fachrichtung in einigen Jahren überhaupt einen Arbeitsplatz?“
→ „Werde ich dem Leistungsdruck des Studiums gerecht – oder werde ich abgehängt?“
→ „Was würden wohl Eltern und Freunde im Falle des Scheiterns von mir denken?“
→ „Wie wirken sich schlechtere Noten auf potenzielle Vorstellungsgespräche aus?“
→ „Und kann ich das Studium überhaupt in der vorgesehenen Zeit bewältigen?“
Mit klarem Verstand an die Problemlösung
Zunächst: Für besonders ausgeprägte Ängste vorm Scheitern gibt es inzwischen zahlreiche Anlaufstellen – selbst an den Hochschulen. Und die Türen stehen weit offen. Dann ist es so, dass sich das Bewusstsein der Gesellschaft für psychotherapeutische Maßnahmen enorm gewandelt hat.
Heißt: Bevor man sich dem gesellschaftlich tabuisierten Scheitern hilflos hingibt – verharrend, zweifelnd, antriebslos – sollte man die inzwischen sehr wohl goutierten Möglichkeiten der Behandlung und Prävention ohne fades Bauchgefühl in Anspruch nehmen. Es hilft! Machen alle! Warum auch nicht? Reden hilft! Zumal: Bei leichteren Symptomen können natürlich auch gute Freunde oder Familienmitglieder die richtigen Gesprächspartner sein. Das Empfinden von Vertrauen und Wohlwollen ist nämlich der weitere wichtige Schritte auf dem Weg in die Normalität.
Unabhängig vom Therapieansatz und Hilfesuchen raten Experten dazu, mit sich selbst einfach offen und ehrlich ins Gericht zu gehen. Also Scheuklappen runter, Lösungen gibt es reichlich, auch im Selbstdialog. Daher wollen wir die oben gestellten Fragen des Zweifels abschließend einfach mal so abändern, dass sie automatisch wie positive Glaubenssätze klingen. Kleine Stellschraube, große Wirkung. Wo war nochmal das Problem?
→ „Finde ich mit meiner Fachrichtung in einigen Jahren überhaupt einen Arbeitsplatz?“ Wird auf einmal zu: „Ich habe meine Fachwahl bewusst nach meinen Interessen ausgerichtet. Nur das ist richtig – und es wird auch nach dem Studium die richtige Entscheidung gewesen sein.“
→ „Werde ich dem Leistungsdruck des Studiums gerecht – oder werde ich abgehängt?“ Wird auf einmal zu: „Womöglich habe ich Druck, aber den haben andere auch. Wichtig ist, dass ich nur soviel investiere, dass es für mich erträglich und gut bleibt. Wenn andere schneller und besser studieren, ist das eben so. Ich aber mache mein Ding. Punkt!“
→ „Was würden Eltern und Freunde im Falle des Scheiterns von mir denken?“ Wird auf einmal zu: „Wenn ich mal eine Prüfung verhaue, sind gerade Freunde und/oder Familie die wichtigsten Ansprechpartner. Wo sonst sollte ich Halt finden, wenn nicht hier?“
→ „Wie wirken sich schlechtere Noten auf potenzielle Vorstellungsgespräche aus?“ Wird auf einmal zu: „Das ist reine Zukunftsmusik. Außerdem sticht Persönlichkeit im Gespräch die Note.“
→ „Und kann ich das Studium überhaupt in der vorgesehenen Zeit bewältigen?“ Wird auf einmal zu: „Kann sein, dass ich die Regelstudienzeit nicht schaffe. Na und? Ein oder zwei Semester mehr werden sich schon irgendwie überbrücken lassen. Und wer weiß: Vielleicht finde ich ja gerade in der Überbrückungsphase einen Job, der zu mir passt.“
Bilder: everst/shutterstock.com
Das könnte dir auch gefallen:
Wann ist es an der Zeit, das Studium abzubrechen?
Im Studium geht's auf und ab. Mal hat man Spaß, mal nervt alles. Wenn Letzteres allerdings überwiegt, solltet ihr über einen Studienabbruch nachdenken.
Depressionen im Studium – Wie kommt man wieder raus aus dem Tief?
Du fühlst dich überfordert, gestresst und siehst keinen Ausweg? Wie du aus einem Burn-Out oder einer Depression wieder herauskommst.
Was tun gegen Prüfungsangst? Diese 9 Tipps helfen wirklich
Prüfungsangst kennt jeder Student. Doch man kann sie gut behandeln oder mit ein paar Tipps selber in den Griff bekommen. Wir haben recherchiert, was hilft.