Generation Y: Lebensabschnittsjob statt Festanstellung?
Es soll ja Zeiten gegeben haben, in denen “bis dass der Tod euch scheidet” tatsächlich – Achtung, flacher Wortwitz – todernst gemeint war. Ähnlich antiquiert bis realitätsfern ist wohl die Vorstellung, im gesamten Leben nur einen einzigen Job zu haben. “Bis dass die Rente euch scheidet” wird für die meisten Studenten und ihren ersten Job nach dem Studium jedenfalls ziemlich sicher nicht zutreffen. Ist etwa nicht nur aus dem Ehe- der Lebensabschnittspartner, sondern aus dem Traum- auch der Lebensabschnittsjob geworden?
Flexibilität als Mantra einer Generation
Meine Tante hat gleich nach dem BWL-Studium bei einem großen Konzern angefangen. Heute ist sie Mitte 50, hat Karriere gemacht – und arbeitet immer noch in dem gleichen Unternehmen wie damals. 30 Jahre im selben Beruf. In derselben Firma. Was für die Generation unserer Eltern und Großeltern ganz normal war, ist für die meisten von uns nur schwer vorstellbar. So viel Stabilität und Kontinuität sind wir nicht gewöhnt. Finanzkrise, Immobilienkrise, Eurokrise, Griechenlandkrise – irgendwas ist eigentlich immer. Das ist okay. Wir kennen es nicht anders und haben gelernt, das Beste daraus zu machen: Flexibilität wurde zum Mantra unserer Generation. Wir wissen: die fetten Jahre sind vorbei und haben uns damit arrangiert. Geradlinige Berufswege wie der meiner Tante bleiben für uns die Ausnahme. Aber: wollen wir überhaupt vom Abschluss bis zur Rente im gleichen Unternehmen arbeiten?
Selbstverwirklichung statt Festanstellung?
Viele meiner Freunde haben mit Mitte/ Ende 20 bereits den ein oder anderen Zick-Zack-Kurs im Lebenslauf. Ina zum Beispiel hat es nach ein paar Jahren in der Firma, die sie nach dem dualen Studium unbefristet übernommen hat, nicht mehr ausgehalten. Sie hat den Traum von der gemütlichen Festanstellung mit 30 Urlaubstagen im Jahr und nine-to-five Arbeitstag auf dem Silbertablett serviert bekommen. Hatte alles “in trockenen Tüchern”, wie meine Tante sagen würde. Aber Ina war unzufrieden. Sie wollte etwas anderes ausprobieren. Einen Job, der sie glücklich macht. Den hat sie dann auch tatsächlich gefunden. Trotzdem gestand sie mir neulich, sie würde in ein paar Jahren gerne in einem anderen Bereich arbeiten und hat auch schon Ideen.
Bei Jana war es ähnlich. Nach dem Abi erschien ihr als “Arbeiterkind” eine Ausbildung erst einmal vernünftiger. Was solides, bodenständiges eben. Auch sie bekam direkt im Anschluss eine unbefristete Festanstellung. Auch sie fand in ihrem Job keine Erfüllung, schmiss zum großen Entsetzen ihrer Eltern nach kurzer Zeit alles hin und fing ein Studium an. Inzwischen hat sie zwei Abschlüsse, einen Job, der ihr Spaß macht – und wird schon wieder unruhig. “Auf Dauer ist das nichts für mich”, erzählt sie mir und liebäugelt damit, sich bald mit eigenen Projekten selbstständig zu machen.
Was ist nur los mit uns?
Diese Liste von jungen Leuten, die Selbstverwirklichung über eine Festanstellung stellen und ihren aktuellen Job als Durchgangsstation sehen, könnte ich noch eine ganze Weile weiterführen. Unter ihnen sind bei weitem nicht nur typische Freigeister oder Geisteswissenschaftler. Ich kenne frischgebackene Ärzte, Pharmazeuten und Betriebswirte, die mit Ende 20 schon ohne Not mindestens eine sichere Stelle an den Nagel gehangen haben. Wer heute bereits am Ende seines Berufslebens steht, kann sich da nur verwundert die Augen reiben und uns junge Dinger fragen: Was zur Hölle ist los mit euch?
Mach mich glücklich!
Nun ja. Wir Generation Y’ler erwarten eben viel von unserem Beruf. Wir wollen nicht nur Geld verdienen. Wir wollen in unserer Arbeit Erfüllung finden. Uns verwirklichen. Selbst wer keine großen Karriere-Ambitionen hat und deshalb alle zwei Jahre einen Jobwechsel anstrebt, der wünscht sich doch wenigstens Freude bei seiner Tätigkeit zu empfinden, gefordert und natürlich auch gefördert zu werden, sich weiter entwickeln zu können, einen tieferen Sinn in den Aufgaben zu sehen, jeden Tag mit Leidenschaft bei der Sache zu sein und und und. Das kann doch nicht zu viel verlangt sein?!
Äh. Doch. Studien zufolge hat nur jeder Fünfte eine echte Leidenschaft für irgendetwas. Wir können also gar nicht alle mit vollem Herzblut Ingenieure, Ärzte, Personalreferenten oder Programmierer aus Überzeugung sein. Müssen wir auch nicht. Klar, der Job mit dem man täglich mindestens acht Stunden verbringt, sollte bei einem keinen Würgereflex hervorrufen. Die Arbeit sollte schon Spaß machen. Und jedem, der sie findet, sei Erfüllung im Job von Herzen gegönnt. Aber vielleicht machen wir uns selbst zu viel Druck, wenn wir auf Biegen und Brechen von unserer Arbeit erwarten, dass sie etwas schafft, was uns oft nicht einmal selbst gelingt – uns glücklich zu machen. Und vielleicht ist das Konzept des Lebensabschnittsjobs, den wir einfach wechseln, wenn wir seiner überdrüssig sind, unsere Antwort auf diese wichtige Erkenntnis: dass es den einen lebenslangen Traumjob nicht geben kann.
Wer schon im Studium arbeitet oder Praktika macht, der weiß beim Berufseinstieg besser, welche Arbeit ihm Spaß macht – und welche nicht. Bei Jobmensa findest du viele Studentenjobs in deiner Nähe und kannst dich direkt online bewerben.
Bilder: Lolostock/shutterstock.com
Das könnte dir auch gefallen:
Als Arbeiterkind an die Uni – kann das klappen?
Schafft es ein Arbeiterkind an die Universität? Das hängt oft von der Unterstützung der Familie ab. Drei Beispiele von Abiturienten aus Arbeiterfamilien.
Absolventen in der Wohlfühlecke – Leben um zu arbeiten war gestern
Absolventen schauen bei ihrer Jobsuche nicht nur auf das Gehalt. Auch nicht zuerst. Was aber ist ihnen sehr wichtig? Wir haben ein paar Antworten.
Gutes Gehalt reicht nicht – Was Arbeitseinsteiger fordern
Gute Bezahlung ist alles? Falsch gedacht! Arbeitseinsteiger erwarten von ihren Jobs heutzutage weit mehr. Was genau - das liest du hier!