Schummeln an der Uni - Betrügen und abschreiben das neue normal?

03.01.2015

KlausurenPrüfungenSchummeln & BetrugStudiumUni
Author: Redaktion
Autor*inRedaktion
Studierende stecken sich Spickzettel zu in einer Klausur

Spickzettel, bei dem/der Nachbar *in abschreiben, in der Hausarbeit plagiieren, oder gleich die Klausur von einem anderen schreiben lassen. Gehört Schummeln heute im Studium dazu?

Julian finanziert sich sein Studium durch das Schreiben von Klausuren. Nur schreibt er nicht seine eigenen, sondern die Prüfungen anderer; und nimmt für jede bestandene Klausur 300€, für jede Hausarbeit 1000€. Das sei dann schon etwas zeitaufwendiger, aber “kriminell fühlt es sich absolut nicht an” sagt er Zeit Online. Ist es inzwischen normal geworden, an der Uni zu betrügen? Und ist ein bisschen Spicken in Ordnung, oder ist jede Kritzelei auf dem Handgelenk skrupelloser Betrug?

Schummelst du schon, oder studierst du noch?

Laut der Fairuse Studie gehört das Mogeln zum Uni-Alltag. Ehrliche Studierende, die nicht betrügen, sind in der Minderzahl. Im Rahmen dieser Studie, die erstmals im Studentenmagazin ZEIT Campus* veröffentlicht wurde, wurden zum ersten Mal Student*innen und Dozent*innen zum Thema Schummeln und Betrügen in Klausuren und Hausarbeiten befragt.

  • knapp 80% aller Studierenden haben bereits mindestens ein mal abgeschrieben, kopiert, oder auf irgendeine andere Art geschummelt

  • zwei Drittel der Mediziner*innen schreiben in Klausuren ab. Der Durchschnitt aller Studiengänge liegt bei 37%

  • 35% aller Naturwissenschaftler*innen fälschen die Messwerte ihrer Experimente

  • Jede*r Vierte aus Rechts-, Wirtschafts- & Sozialwissenschaften gab an, noch nie in irgendeiner Weise gemogelt zu haben. Im Durchschnitt ist es nur jeder Fünfte.

  • Nicht die Jurist*innen plagiieren am meisten, sondern Ingenieur*innen (fast jede*r Dritte), bei Sportwissenschaftler*innen plagiiert jede*r Vierte, bei Jurist*innen jede*r Fünfte und bei Wirtschaftsstudent*innen nur jede*r Zehnte.

Wer schummelt an der Uni? Am ehesten zu illegalen Mitteln greifen Studierende, welchen es an Motivation fehlt, die viel prokrastinieren, oder unter Konzentrationsschwierigkeiten leiden. Außerdem solche, die gestresst sind vom Studium, stark unter Konkurrenzdruck stehen oder sogar Prüfungsangst haben. Männer und Frauen schummeln in der Uni fast gleich viel. Allerdings spicken Frauen eher in Klausuren, wohingegen Männer eher zum Plagiat neigen.

Dozent*innen schauen nicht genau hin

An diesem Gerücht ist tatsächlich etwas dran. Dozent*innen haben genügend andere Dinge zu tun, weshalb es in manchen Studienfächern beinahe üblich ist, dass der/die Dozent*in die Klausur nicht einmal selbst korrigiert, sondern studentische Hilfskräfte diese Arbeit übernehmen. So etwas kommt meistens in mathematischen oder wirtschaftlichen Studiengängen vor, wo es meist nur eine richtige Antwort auf die Fragen gibt. Bei Hausarbeiten ist das natürlich anders. Allerdings ist eine intensive Plagiatskontrolle zeitaufwendig und mühevoll. Außerdem halten die Dozent*innen, die in der Studie befragt wurden, ihre Studierenden meistens für ehrlicher, als sie tatsächlich sind.

Aus Versehen schummeln? Geht das?

Ja! Wenn auch die meisten Schummeleien an der Uni eher nicht versehentlich passieren, kann es, laut der Informatikprofessorin und Plagiatjägerin Debora Weber-Wulff, tatsächlich passieren, zum Beispiel aus Versehen zu plagiieren. So ist unter anderem das Allgemeinwissen eine gewisse Grauzone. “Was weiß man?” Was gilt noch als Allgemeinbildung und was geht darüber hinaus? Ein anderes Phänomen ist die sogenannte Kryptomnesie. Hier erinnerst du dich an bereits Gelesenes, aber verstehst es als deine eigene Idee. Hierbei handelt es sich allerdings lediglich um Ideenplagiate und nicht um Textplagiate, wo du ganze Abschnitte und Formulierungen kopierst.

Was passiert, wenn’s passiert?

Durch das Internet ist es viel leichter geworden, eine Hausarbeit, oder ähnliches zu kaufen, zu kopieren, oder jemanden zu finden, der sie ganz für dich schreibt. Gleichzeitig ist es dadurch aber auch viel einfacher geworden, das aufzudecken. Manchmal genügt es nur, einen Satz aus der Arbeit bei Google einzugeben und der/die Täter*in ist entlarvt. Und wenn es soweit ist, können die Strafen ganz unterschiedlich ausfallen. Wer Glück hat, kommt mit einer Verwarnung davon. Betrug ist aber auch Grund für einen sofortigen Rausschmiss, und dann waren alle Jahre deines Studiums umsonst. An manchen Unis bekommt man keine Credit-Points, allerdings auch keine Strafe. Sebastian Sattler, der Leiter der Fairuse-Studie findet “das ist so, als würde man einem Bankräuber das Geld wegnehmen, das er geklaut hat, aber keine Gefängnisstrafe verhängen.”

Es ist zwar leichter geworden, die Täter*innen aufzuspüren, allerdings ist es umso schwieriger, das Problem ganz zu beheben. Die Bereitschaft zu Schummeln sinke zwar, wenn klar ist, dass Betrug verfolgt wird, trotzdem sind es im Schnitt nur 20% der Studierenden, die an der Uni nicht schummeln! Helfen soll die Software turnitin, die Texte auf Plagiate prüft. Diese wird in den USA an manchen Unis sogar von Studierenden benutzt, um ihre Arbeit selbst auf unabsichtliche Plagiate zu prüfen. Das Programm hat allerdings auch einige Schwachstellen. So kann es aus Fremdsprachen übersetzte oder umformulierte Abschnitte nicht als kopiertes Gedankengut identifizieren. “Eine Software ist keine Wunderwaffe gegen das Schummeln” gesteht selbst Hans-Lorenz Reiff-Schoenfeld, ein Mitarbeiter von turnitin. Das heißt, jede Arbeit muss nochmal einzeln von einem/einer Dozent*in überprüft werden. Und wie wir bereits wissen, haben die anderes zu tun. “Im Bereich Prävention und Methodenlehre gibt es also in Deutschland noch viel Verbesserungspotenzial!” sagt Wolfgang Marquardt vom Wissenschaftsrat.

Was für den einen ein ewiger Kampf um Gerechtigkeit ist, ist für den anderen gut verdientes Geld. Von dem Mangel an Kontrolle kann Julian jedenfalls noch ein bisschen profitieren.

Jobmensa ist sich sicher, ihr schafft das auch ohne Spicker oder Ghostwriter! Denn: Studierende können ALLES!

*Quelle: ZEIT Campus