Er war stets bemüht – und bei bester Laune: 9 berufliche Todesurteile im Arbeitszeugnis
In Deutschland haben Arbeitnehmer jederzeit Anspruch auf die Ausstellung eines qualifizierten Zeugnisses. Doch anders als in Schule oder Uni, wo schlechte Leistungen entsprechend eindeutig beurteilt werden, sind Chefs auch bei Nichtgefallen zu wohlwollenden Formulierungen verpflichtet – und wählen nicht selten die semantische Gratwanderung.
Wie es ist, wenn Menschen etwas sagen und es eigentlich ganz anders meinen, lässt sich zuweilen prima auf dem politischen Parkett beobachten. Denn so hart die Bandagen auch sein mögen, mit denen hier hinter verschlossenen Türen gefochten wird, so banal und mitunter samtweich hört sich das Geschehene später vor laufenden Kameras an.
Nehmen wir beispielsweise unsere Kanzlerin und stellen uns vor, sie kommt morgens um halb vier leicht zerzaust aus einer wichtigen EU-Verhandlung in Brüssel, sagen wir zur Bankenregulierung. Kaum vor der Tür, stürzt sich die Pressemeute auf Frau Merkel und stellt die alles entscheidende Frage: „Wie ist es gelaufen, Frau Bundeskanzlerin?“ Die Antwort würde lauten: „Es waren sehr gute, engagierte Gespräche, danke.“ Lächeln, rein in den Dienstwagen – und ab in die Nacht.
Zwischen den Zeilen lesen
Den wahren Verlauf solcher Gespräche – und man möge uns diese staatstragende Beobachtung bitte verzeihen – dokumentieren bei Frau Merkel oft die verräterisch steil Richtung Knie abfallenden Mundwinkel. Denn tatsächlich hat es richtig gekracht im Saal, es gab Streit und teils unvereinbare Positionen. Nur gesagt wird es hinterher eben nicht, was in Fachkreisen gerne als die hohe Kunst der Diplomatie bezeichnet wird.
Was das alles mit der Deutung von Arbeitszeugnissen zu tun haben soll? Nun, eine Menge. Denn auch hier werden manch harte Wahrheiten unter Zuhilfenahme blumiger Worthülsen derart abstrahiert, dass es auf dem Papier gerade noch wohlwollend daherkommt. „Er war stets engagiert“, ist eine dieser pseudo-positiven Phrasen, die Bewerber in Vorstellungsgesprächen je nach Kontext in arge Erklärungsnöte bringen können. Oder, oh weh: „Er war stets bemüht.“
Wir haben uns mal auf die Suche begeben und Beispiele für nett verpackte Karrierekiller gefunden, die sich in Arbeitszeugnissen finden lassen. Links im Wortlaut – rechts als Note. Unser Urteil:
Wohl dem, der hiervon nicht betroffen ist:
→ …hat sämtliche Aufgaben mit Sorgfalt und Genauigkeit erledigt. (Note: 4)
→ …entsprach im Allgemeinen unseren Anforderungen. (Note: 5)
→ …legte ein einwandfreies Verhalten an den Tag. (Note: 4)
→ …konnte unseren Erwartungen entsprechen. (Note: 6)
→ …konnte seine Arbeit im Allgemeinen mit Sorgfalt und Genauigkeit erledigen. (Note: 5)
→ …war stets bemüht, übertragene Aufgaben zu unserer Zufriedenheit zu erledigen. (Note: 6)
→ …zeichnete sich durch ein insgesamt einwandfreies Verhalten aus. (Note: 5)
→ …war engagiert und wusste sich gut zu verkaufen. (Note: 5)
→ …trug durch seine gesellige Art zur Verbesserung des Betriebsklimas bei. (Note: 6)
Jobmensa weiß: Wer hingegen im Zeugnis ein „…hat den Erwartungen des Arbeitgebers in jeder Hinsicht und allerbester Weise entsprochen“ findet, hat nachweislich einen guten Job gemacht. Einen sehr guten sogar. Daher, ihr Arbeitnehmer in spe: Spät im Jahr ist immer Weihnachten, und Chef freut sich bestimmt über eine neue Krawatte.
Bilder: PHOTOCREO Michal Bednarek/shutterstock.com
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