Einmal Poesi zum Mitnehmen, bitte: Bonner Student entwickelt Gedichte-App
Was haben Goethe, Heine und Fontane gemeinsam? Vom Sturm und Drang bis hin zum Realismus gehören sie nicht nur den wohl berühmtesten Vertretern der deutschen Literaturgeschichte unterschiedlicher Epochen an, sondern erwachen seit einigen Monaten gleichenorts zum Leben: in Poesi, einer App für Gedichte-Liebhaber, die ein Bonner Student entwickelt und im Oktober auf den Markt gebracht hat.
Da sind sie nun! Da habt ihr sie!
Gedichte. Sie sind Zeugen ihrer Zeit und trotzdem zeitlos. Lassen wir uns auf sie ein, können wir uns wenigstens einige wenige Minuten der Ruhe gönnen, der Schnellebigkeit und dem Stress unseres modernen Alltags entkommen. Mit Poesi musst du dafür keine alten Schinken in der Bibliothek wälzen oder bei Oma und Opa auf den Dachboden klettern, sondern kannst jederzeit in der Datenbank aus hunderten Dichtern und ihren Werken stöbern. Wann und wo du möchtest.
Lukas Hermann liegt es am Herzen, den Nutzern seiner App eben diesen Wert wieder nahezubringen oder neu zu zeigen, dem Zeitgeist entsprechend. Über Monate hinweg hat der Germanistik-Student Gedichte vieler Schriftsteller vom Mittelalter bis zur Moderne gesammelt und ausschließlich aus wissenschaftlichen Ausgaben zitiert, aufwendig eingegeben und sie in dazugehörige Strömungen eingeordnet.
Peosi stellt außerdem Hintergrundinfos zu jedem Autor und seinem historischen Kontext bereit; und bietet gleichzeitig eine große Lernhilfe für den Deutschunterricht oder das Studium. Unter den einigen hunderten Käufern der App tummeln sich aber nicht nur Schüler und Studenten. „Poesi ist ein digitales Buch”, erzählt Lukas. „Für alle Büchermenschen im digitalen Zeitalter.”

Gemeinsam mit einem befreundeten Entwickler hat er sich dafür entschieden, das Design so schlicht und simpel wie möglich zu halten. Schwarze Zeichen auf weißem Hintergrund – ähnlich einer Buchseite eben, nur auf dem Smartphone. Ohne den scheinbar obligatorischen Schnickschnack und die verschnörkelten Großbuchstaben, die heute immer wieder gerne gesehen sind und aus eigenartigen Gründen mit Dichtung assoziiert werden.
Die Startseite von Poesi zeigt eine Volltext-Suche, das Gedicht des Tages sowie ein per Zufallsgenerator ausgewähltes Gedicht. Außerdem ist es möglich, Lieblingsexemplare zu teilen und zu downloaden. Somit sind sie auf dem Smartphone gespeichert und jederzeit abrufbar, auch ohne Internet. Eine Funktion, die in der Sparte einzigartig ist und sich von der Konkurrenz wie poemhunter.com und Co. unterscheidet.
Dichter lieben nicht zu schweigen
Lukas legt Wert darauf, dass mithilfe der minimalistischen Visualität der Inhalt und die Botschaft nicht verloren gehen, dass das Lerninstrument bestehen bleibt. Dementsprechend fällt das Interface seiner ersten eigenen App so klein wie möglich aus, auch lästige Werbung gibt es nicht. Doch legen User der heutigen Zeit nicht Wert auf die Community, auf den ständigen Austausch via Social Media?
„Durch so etwas würde der Kern der App kaputt gehen. Lesen ist eine sehr persönliche, eine sehr private Sache. Das soll es auch bleiben. Den Gedanken, ein super Startup-Business-Modell zu erschaffen, lasse ich da erstmal außen vor”, lautet die Antwort des Bonner Studenten.
Feedback und Anregungen – immer her damit!
Am Tag bastelt Lukas etwa ein bis zwei Stunden an seinem Projekt und arbeitet parallel an seiner Masterarbeit. Er selbst ist leidenschaftlicher Fan von Literatur, schreibt Blogartikel darüber und nennt die Göttliche Komödie von Dante als eine seiner persönlichen Präferenzen.
Zukünftig möchte er auch anderssprachige Gedichte auf Poesi anbieten, um die internationale Verständlichkeit sowie den politischen Anspruch zu erweitern. Einige hunderte englische Gedichte hat er bisher gesammelt. Sein Ziel sei ein homogenes Gesamtbild der Literaturgeschichte; ein weiterer Anspruch, der ihm am Herzen liegt, persönlich und für alle, die seine Vorliebe teilen.
Jobmensa findet, dass Peosi erfolgreich zeigt, wie Altes im Neuen bestehen bleiben kann. Doch genau genommen sind Gedichte nicht wirklich alt und werden es nie sein. Immerhin bleibt der Ausdruck von Gedanken und Gefühlen Herzenssache und kennt keine Ablaufdatum. Dein Smartphone schon.
Bilder: Lukas Hermann