Ein Semester Budapest: „Locker bleiben, aber früh anfangen sich zu organisieren.“
Wer über ein Auslandssemester nachdenkt, der sollte Ungarn immer auf dem Zettel haben. Unsere hochgeschätzte Ex-Kollegin Anna absolviert derzeit ein Erasmus-Semester dort, genauer gesagt in Ungarns Hauptstadt Budapest. Auf ihrem Blog annawestkmper.com teilt sie sämtliche Erfahrungen und berichtet uns im Interview von ihrem Weg dorthin, was alles beachtet werden musste und warum Ungarn sich so sehr lohnt.
Hi Anna, wie geht’s Dir dort drüben?
Mir geht es hier bestens! Die Vorlesungszeit ist in ein paar Wochen zu Ende, daher muss ich gerade noch ein paar Essays fertigstellen. Dafür war der Rest des Semesters unitechnisch gesehen ziemlich entspannt. Momentan werde ich schon etwas wehmütig, weil das Semester bald vorbei ist. Es kommt mir vor, als wäre ich erst vor ein paar Wochen in Budapest gelandet!
Was hat Dich an Ungarn gereizt?
Um ehrlich zu sein, bin ich mehr durch Zufall an Ungarn geraten. Meine Wünsche für meinen Erasmus-Zielort waren, dass ich dort auf englisch studieren kann, in einer Großstadt wohne und an einem Ort lebe, den ich noch nicht kenne. Diese Voraussetzungen hat Budapest erfüllt, daher habe ich mich quasi „ins Blaue hinein“ für die Stadt entschieden. Und habe es keine Minute bereut! Budapest ist meiner Meinung nach die perfekte Stadt für Erasmus: sie hat kulturell viel zu bieten, sieht verdammt gut aus, ist preiswert und hat eine der abwechslungsreichsten und aufregendsten Partylandschaften Europas.
Welche Orte in Budapest sollte man unbedingt erlebt haben?
Um Budapest zu erkunden, sollte man bestenfalls um die drei Tage einplanen. Neben den gängigen Touristenzielen wie dem Parlament, der St. Stephans-Basilika, der Fischerbastei und dem Heldenplatz gibt es jedoch noch weitere zahlreiche sehenswerte Orte. Ich empfehle besonders einen Aufstieg auf den Gellertberg bei Nacht, wenn man auf die beleuchtete Stadt und die Donau hinunterblicken kann. Außerdem lohnt sich ein Besuch in einer der zahlreichen Thermen in Budapest, die größten und schönsten sind die Gellert- und die Szechenyi Therme. Herausragend israelisch essen kann man im wunderschönen Mazel Tov und abends muss unbedingt das jüdische Viertel erkundet werden, ein Bier in dem weltberühmten Ruinenpub Szimpla Kert ist dabei ein Muss.
Kannst Du uns kurz den Prozess von Deiner ersten Erasmus-Überlegung bis zum Abflug erläutern? Mit welchen Kosten ist Dein Aufenthalt verbunden?
Nachdem ich mich für meinen Auslandsaufenthalt entschieden hatte, folgte erst einmal ein riesiger Berg an Papierkram. Die Erasmusbewerbung an meinem Institut an der Uni einreichen, die Erasmusstipendienvereinbarung unterzeichnen, Kurse an meiner Zieluni finden und mit meinen Fachkoordinatoren absprechen… Das hat schon ziemlich Nerven gekostet, aber am Ende lohnt sich der Aufwand. Nachdem die Bürokratie endlich bezwungen war, habe ich mich im Internet auf die Suche nach einem WG-Zimmer in Budapest gemacht. Die meisten Angebote für möblierte Zimmer findet man in Facebook-Gruppen, auch wenn einem das zunächst etwas unseriös erscheinen mag. Zuletzt musste ich nur noch meinen Billigflug online buchen – und los ging’s.
Für meine Lebenshaltungskosten muss ich in Budapest glücklicherweise nicht mehr aufwenden als in Deutschland. Mein WG-Zimmer in Köln habe ich untervermietet und die Kosten für Lebensmittel und Drogerieartikel sind hier ähnlich wie in Deutschland. Was jedoch jedem Erasmusstudent in Budapest in die Hände spielt: auswärts zu essen oder etwas trinken zu gehen ist hier im Vergleich zu Deutschland noch sehr preiswert. Auch die Kosten für das Feiern sind überschaubar, man kann hier demnach ein ziemlich gutes Leben führen, ohne jeden Forint dreimal umdrehen zu müssen. Am meisten kosten mich meine Wochenendtrips in andere europäische Großststädte, für diese Reisen habe ich jedoch im Vorfeld gespart.
Wenn dich jemand um Rat fragt, welche Tipps würdest du ihm bzgl. Orga und Finanzierung für ein Semester mit auf den Weg geben?
Alles was die Orga an eurer Heim-Uni angeht: Bloß früh genug anfangen! Sind die Fristen erst einmal verpasst und nicht alle nötigen Unterlagen eingereicht, endet euer Auslandsabenteuer vielleicht schon, bevor es überhaupt begonnen hat. Alles was die Orga an eurer Auslands-Uni angeht: locker bleiben! Außerhalb von Deutschland sieht man das mit der Bürokratie etwas entspannter. Mir hat wochenlang niemand auf E-Mails geantwortet, doch als ich erstmal vor Ort war, waren alle Mitarbeiter der Universität sehr hilfsbereit.
Was die Finanzierung anbelangt, sollte man sich nicht allein auf das Erasmusgeld verlassen. Das ist eher ein netter Zuschuss. Besonders ärgerlich ist, dass man einen Teil des Geldes erst ausgezahlt bekommt, wenn man bereits wieder zu Hause ist. Auch arbeiten zu gehen lohnt sich in vielen Ländern aufgrund der niedrigen Löhne leider nicht. Ich finanziere mir meinen Aufenthalt größtenteils durch ein Stipendium. Ein Stipendium für’s Ausland zu bekommen ist gar nicht so schwer, der DAAD fördert viele Auslandssemester und Praktika. Wer Bafög bekommt kann zudem noch zusätzliches Auslands-Bafög beantragen.
Du bloggst über Deinen Aufenthalt und scheust nicht davor, auch negative Eindrücke zu erwähnen. Welche Erfahrung dort hat denn den größten Eindruck hinterlassen?
Es war mir sehr wichtig, während meines Auslandssemesters nicht nur mit einer rosaroten Brille herumzulaufen und nur die schönen Seiten der Stadt und eines Landes zu sehen. Vielmehr wollte ich das Land und seine Einwohner richtig kennenlernen. Daher habe ich insbesondere das Referendum über Ungarns Flüchtlingspolitik im Oktober verfolgt und mich auch auf meinem Blog mit Ungarns Pressesystem und der Symbolpolitik auseinandergesetzt. Die Erfahrungen, die den größten Eindruck hinterlassen haben, sind jedoch alle positiver Natur. Budapest ist eine weltoffene und vielfältige Stadt, besonders geprägt haben mich meine Freunde aus allen möglichen Nationen, die ich hier kennengelernt habe und mit denen ich dieses Auslandssemester verbringen darf. Erasmus hat mich wieder erneut zu schätzen gelehrt, wie glücklich ich sein kann, Europäerin zu sein, ohne Probleme von Land zu Land reisen zu können und Menschen aus aller Welt treffen zu können.
Im Frühjahr 2017 geht’s für Dich zurück nach Deutschland, was sind Deine Pläne bis dahin?
Bis die Vorlesungszeit Mitte Dezember vorüber geht, steht nun erstmal etwas Unikram auf dem Programm. Währendessen möchte ich noch die letzten regulären Wochen in Budapest genießen und so viel von der Stadt mitnehmen wie geht. Über Weihnachten fliege ich dann für ein paar Tage zu meiner Familie und treffe alle meine Freunde aus der Heimat und aus Köln wieder. Über das neue Jahr geht es dann jedoch schon wieder zurück nach Ungarn, hier wird erst einmal ordentlich Silvester gefeiert. Den vorlesungsfreien Januar möchten meine Freunde und ich hier noch für weitere Reisen nutzen, bevor es zurück in den Alltag nach Deutschland geht. Auf unserer Liste stehen unter anderem Krakau, Istanbul, Bulgarien, Rumänien und Slovenien, doch genaue Pläne machen wir eigentlich immer erst spontan. Die letzten Wochen werden also noch einmal aufregend!
Bilder: annawestkmper.com
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