Die Wahrheit über Nebenjobs im Callcenter

12.01.2022

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Author: Joanna
Autor*inJoanna
Callcenter Mitarbeitende mit Headset lächelt freundlich

"Mir macht es Spaß, wenn ich den Kunden weiterhelfen kann"

Fensterlose Großraumbüros, Kund*innen kurz vor dem Tobsuchtsanfall und ausbeuterische Hungerlöhne: Nebenjobs im Callcenter haben bei vielen Studierenden nicht den besten Ruf. Sieht so die Wahrheit über einen der klassischsten Studentenjobs aus? Wir haben mit einer Studentin gesprochen, die es wissen muss: Christina (23) arbeitet neben dem Studium als Kundenbetreuerin für die Firma SNT in Essen. Im Interview wollten wir von ihr wissen, wie der Arbeitsalltag im Callcenter wirklich aussieht - mit überraschenden Ergebnissen.

Du arbeitest bei SNT in Essen im Callcenter. Wie bist du auf den Job aufmerksam geworden?

Ich war auf der Suche nach einem langfristigen Nebenjob, den ich neben meinem Studium machen kann und habe mich im Internet bei mehreren Jobbörsen umgeschaut. Bei jobmensa.de sah ich diese Stelle und fand sie interessant und ansprechend, da die Arbeitszeiten flexibel und der Lohn akzeptabel waren.

Hand aufs Herz: Was waren deine Gedanken zum Thema Callcenter bevor du SNT kennengelernt hast?

Wenn ich ehrlich bin, dann habe ich mich davor nicht viel damit beschäftigt. Ich hatte keine Erfahrung im Callcenter-Bereich. Jedoch hat mein Freund damals bei einem Callcenter im Outbound gearbeitet und hat mir Vieles erzählt. Wie anstrengend und stressig der Job sein kann und welcher psychischen Belastung man teilweise ausgesetzt wird, weil es leider viele anstrengende und gemeine Kund*innen gibt. Ich persönlich dachte immer, dass es ein total stressiger und anstrengender Job ist, so viele Menschen an einem Tag zu „bedienen“.

Was war ausschlaggebend für dich, den Job bei SNT anzunehmen?

Das Ausschlaggebende daran waren, wie schon erwähnt, die flexiblen Arbeitszeiten – diese lassen sich ganz gut mit dem Uni Alltag kombinieren und da es auch kein körperlich anstrengender Job ist, hat man auch danach noch Kraft etwas für die Uni zu machen. Davor habe ich als Kellnerin und Hostess gearbeitet, was sehr belastend war, wegen den Studium-unfreundlichen Arbeitszeiten bis teilweise 5 Uhr morgens und der extremen körperlichen Auslastung.

Bist du vorab speziell vorbereitet worden bevor du ans Telefon gesetzt wurdest?

Es gab vorab eine 7-tägige Schulung, wo wir in einer kleinen Gruppe (6 Leute) in die verschiedenen Bereiche und Aufgaben des Projektes eingewiesen worden sind. Es gab einen Theorie-Teil und auch einige praktische Aufgaben. Wir wurden teilweise frontal unterrichtet und durften danach das Gelernte bei bestimmten Übungen und Gruppenarbeiten umsetzen. Zum Beispiel haben wir Kund*innengespräche simuliert und sind diese dann nach vorgegebenem Skript durchgegangen. Oder haben uns zu arbeitenden Kolleg*innen dazugesetzt und ein paar Gespräche mitgehört um zu sehen, wie die Praxis funktioniert.

In welchem Bereich bist du nun tätig und wie sieht ein Arbeitstag bei dir aus?

Im Moment arbeite ich im Inbound. Der Kunde ist ein namhafter Hersteller von Kaffeepads, der mit George Clooney wirbt. Mein Arbeitstag beginnt damit, dass ich an einen der freien Arbeitsplätze in dem Großraumbüro gehe und mich dort mit meiner persönlichen ID an einem Callmaster anmelde. Dann fahre ich die Systeme hoch und starte die nötigen Anwendungen am PC. Danach gehe ich auf „Bereit“ und schon geht es los. Es kommen Anrufe rein. Verschiedene Kund*innen mit verschiedenen Anliegen. Die einen möchten etwas bestellen, die anderen haben ein Problem mit der Lieferung oder mit ihrer Maschine. Es gibt private und geschäftliche Kund*innen und jede*r hat sein spezielles Anliegen. Ich versuche dann, jedem einzelnen weiterzuhelfen. Ich verfolge Sendungen bei der DHL, nehme mit SAP die Bestellungen auf und unterstütze die Kund*innen mithilfe des Maschinenhandbuchs bei Problemen mit der Technik. Zwischendurch gibt es auch sogenannte BSUs (Bildschirmunterbrechungspausen), wo man mal kurz vom Bildschirm wegkommen kann und etwas trinken oder auf Toilette gehen kann.

­Kannst du deine Zeit frei einteilen? Und inwieweit lässt sich der Job mit dem Studium vereinbaren?

Meine Zeit kann ich begrenzt frei einteilen. Ich teile der Teamleitung mit, wann und wie ich arbeiten kann und diese erstellt dann einen Dienstplan entsprechend der Zeiten, wo die meisten Anrufe reinkommen und besonders viele Mitarbeitende gebraucht werden, sodass ich meine 20 Stunden in der Woche voll bekomme. Meistens ist dies in der Frühschicht (7-12 Uhr) oder abends (16-21) der Fall. Deswegen lassen sich die Zeiten ganz gut mit der Uni kombinieren, da man entweder davor oder danach Vorlesungen und Seminare besuchen kann. Außerdem arbeitet das Projekt, das ich betreue 24 Stunden, 7 Tage pro Woche. Das bedeutet man kann auch gut am Wochenende arbeiten und auch an Feiertagen, wo man keine Uni hat. Nachts dürfen Zeitarbeitende nicht eingesetzt werden, was auch ein großer Vorteil ist.

Was würdest du sagen: lohnt der Job allein des Geldes wegen oder gibt es auch Aspekte, die du für deinen späteren Beruf oder den Lebenslauf positiv nutzen kannst?

Ich bin der Meinung, dass man bei jedem Job etwas hinzulernt, was man später immer gut gebrauchen kann. Ob das nun der Umgang mit Kund*innen ist, der eine hohe Serviceorientierung erfordert oder die Stressresistenz, die man nach einiger Zeit automatisch entwickelt. Viele Dinge lassen sich später nutzen. Auch der Umgang mit bestimmten Programmen, wie SAP und Email-Programmen ist eine wertvolle Erfahrung.

Wie sorgt SNT dafür, dass du dich an deinem Arbeitsplatz wohlfühlst? Gibt es Benefits, die geboten werden?

Es gibt zum Beispiel kostenlosen Kaffee von unserem Kunden, da die Mitarbeitenden den Kaffee verkaufen sollen und sich deshalb auch damit auskennen sollen, wie dieser schmeckt usw. um auch persönliche Empfehlungen an die Kund*innen aussprechen zu dürfen. Gut finde ich auch, dass man seine eigenen Arbeitsmaterialien hat, ein eigenes Headset, einen eigenen Spind, wo man diese lassen kann. Es gab nette Geschenke, wie einen Thermobecher und Kleinigkeiten zu Nikolaus und Weihnachten. Sehr oft bringen Kolleg*innen auch Süßigkeiten und Kekse mit oder verteilen Schokolade. Die Kolleg*innen und die Teamleitung sorgten sich außerdem sehr gut darum, dass man sich auch als Neuling gut einfinden konnte und nett aufgenommen wurde.

Wenn man an Callcenter denkt, dann denkt man an riesige Räume, in denen Leute zusammengepfercht an ihren Telefonen sitzen und alle laut durcheinanderreden. Wie ist die Atmosphäre bei SNT? Ist es dort genauso?

Nein. Ist es nicht. Es gibt Zeiten, vor allem vor Weihnachten, wo es zwischendurch immer mal wieder ein ziemlich hohes Anrufer-Volumen gibt. Dabei kann es schon sein, dass es etwas lauter um einen herum wird, aber normalerweise ist das nicht so. Das Projekt, für das ich arbeite ist ein relativ entspanntes Projekt, wo man meistens ruhig und gelassen dem Tagwerk nachgeht  - ohne Geschrei oder sonstige „Ausfälle“. Man sitzt auch nicht „zusammengepfercht“.  Jeder hat genug Raum an seinem Arbeitsplatz, einige haben auch mehrere Bildschirme und man fühlt sich nicht bedrängt oder irgendwie sonst eingepfercht.

Mal ehrlich: ist so ein Job nicht furchtbar stressig? Muss man nicht dauernd damit rechnen, dass man von Kund*innen am Telefon beleidigt wird? Und wie geht man dann damit um, werdet ihr auch für solche Fälle vorbereitet?

Naja. Manchmal kann es schon etwas stressig sein. Wie gesagt, vor allem in der Vorweihnachtszeit, wo die ganzen Leute ihre Geschenke kaufen und ihre Pakete am liebsten sofort haben wollen. Aufgrund von der DHL, die etwas überfordert ist, gibt es zwischendurch immer mal wieder verärgerte Kund*innen. Oder wegen anderen Fehlern, für die man selbst eigentlich nichts kann aber in dem Moment, wo der/die Kund*in einen anruft und seinen Ärger an einem auslassen will, muss man halt den Kopf hinhalten und trotzdem immer schön freundlich und gelassen bleiben. Wenn man sowas aber generell gut wegstecken kann, so wie es in meinem Fall ist, kommt man damit ganz gut klar. Damit rechnen kann man, muss man aber nicht. Denn es gab schon viele Tage, wo ich nur freundliche Kund*innen hatte. So richtig vorbereitet kann man auf so etwas glaub ich nie sein, denn es sind immer verschiedene Dinge, die da auf einen zukommen. Jedoch wurden wir natürlich vorher damit konfrontiert, dass es auch unfreundliche und verärgerte Kund*innen gibt und, dass man bitte trotzdem freundlich und gelassen bleiben soll.

Gibt es ein, zwei Beispielsituationen in denen der Job besonders Spaß gemacht hat? Und wie hoch ist der Spaßfaktor generell?

Mir persönlich macht es Spaß, wenn ich den Kund*innen weiterhelfen kann. Zum Beispiel wenn ein*e Kund*in anruft und sich darüber beschwert, dass er/sie ein Problem hat und keine*r ihm/ihr bis jetzt richtig und abschließend helfen konnte fühlt man sich wie ein*e Detektiv*in oder ein*e Analytiker*in, dessen Aufgabe es ist den Fehler im System zu finden. Und wenn man dann einen besonders komplizierten „Fall“ gelöst hat, ist es ein nettes Erfolgserlebnis. Oder ein*e Kund*in ruft an, ist besonders verärgert und möchte seinen Dampf einfach nur an jemandem ablassen. Hört sich vielleicht nicht so toll an aber ich sehe das meistens als eine kleine Herausforderung und eine interessante Möglichkeit meine Persönlichkeitsstärke und Professionalität unter Beweis zu stellen. Generell würde ich den Spaßfaktor abhängig von der eigenen Persönlichkeit und der Einstellung den Kunden*innen und dem Job selbst gegenüber abhängig machen. Wenn einem der Umgang mit verschiedenen Menschen Spaß macht und man Herausforderungen mag, dann kann dieser Job durchaus viel Spaß machen.

Würdest du also auch Freund*innen den Job bei SNT empfehlen?

Auf jeden Fall. Eine Freundin von mir arbeitet auch in einem Callcenter und ist sehr zufrieden. Die Atmosphäre ist schön familiär und die flexiblen Arbeitszeiten machen den Callcenter-Job für Studierende besonders attraktiv. Für mich ist auch der Punkt der körperlichen Belastung sehr wichtig gewesen – nach einem Arbeitseinsatz hat man da auch noch genug Kraft um etwas für die Uni zu machen, was bei vielen anderen Jobs leider nicht der Fall ist.

Wie reagieren Freund*innen, wenn du ihnen von deinem Job erzählst?

Meine Freund*innen reagieren eigentlich ziemlich entspannt. Meistens sind sie einfach froh, dass ich einen Job habe und mir kein Geld mehr bei ihnen leihen muss. Kleiner Scherz am Rande. Es gibt jedoch auch ein paar, die dem Ganzen etwas skeptisch gegenüber stehen, da sie das Vorurteil haben, dass man sich „kaputtarbeitet“ und , dass man ein „Telefon-Sklave“ ist, der von allen Leuten am Telefon nieder gemacht wird. Quasi ein menschlicher „Boxsack“. Dann lassen sie manchmal auch ein paar herablassende Kommentare ab oder machen Scherze, jedoch belassen sie es danach auch dabei.

Ist die Bezahlung so schlecht, wie man es oft von Callcentern hört?

Die Bezahlung ist akzeptabel. Über die Zeitarbeitsfirma jobvalley bekommt man etwas mehr Geld pro Stunde bezahlt. Wenn man übernommen werden sollte, bekommt man dann ein bisschen weniger. Aber ich kenne weitaus schlimmere Jobs, die auch noch viel schlechter bezahlt sind, deswegen bin ich zufrieden. Von Callcentern hört man oft, dass die Bezahlung teilweise echt unterirdisch sein kann, jedoch ist das bei der SNT nicht der Fall.

Was für Menschen trifft man im Callcenter an?

Es sind verschiedene Menschen. Ältere Menschen und jüngere Menschen. Menschen, die einen Abschluss haben, jedoch nie einen vernünftigen Job in ihrem Bereich gefunden haben, weil es einfach zu ihrer Zeit noch nicht so viele Stellen gab. Menschen, die bereits über 50 sind und einfach nur nebenbei etwas verdienen wollen, um nicht einfach nur zuhause zu hocken. Menschen, die studieren und gleichzeitig Rechnungen, Miete usw. bezahlen müssen und ihren Lebensunterhalt hier verdienen.

Wie oft im Durchschnitt muss man am Tag mit Beleidigungen am Telefon rechnen?

Im Durchschnitt? Moment, ich schaue kurz in meiner selbst erstellten Statistik nach, wie oft ich in dieser Zeit schon beleidigt worden bin. Kein einziges Mal. Ich weiß nicht ob es an mir liegt oder ob es Zufall oder Schicksal ist, aber bis jetzt hat mich noch kein*e Kund*in auf irgendeine Weise beleidigt oder beschimpft. Auch wenn ich das von anderen Kolleg*innen, die schon etwas länger dabei sind schon mal gehört habe ist es mir persönlich noch nicht passiert. Es riefen schon mal verärgerte Kund*innen an und diese haben sich auch sehr stark am Telefon aufgeregt, jedoch immer nur über die Firma selbst oder über das Problem, das sie hatten. Sie griffen mich nie persönlich an und haben eher immer folgende Formulierung gewählt: „Es tut mir leid, dass ich meinem Ärger hier bei Ihnen rauslassen muss und ich weiß ja, dass Sie da nichts für können und sie sind auch immer sehr freundlich aber es regt mich einfach auf, dass xyz…“.

­Ist es verboten mit Kolleg*innen zu sprechen?

Verboten ist es nicht. Man kann zwischendurch immer mal eine Frage stellen oder sich kurz unterhalten, jedoch ist nicht viel Zeit zwischen den Anrufen um ein ausführliches Gespräch zu führen und einem die Lebensgeschichte zu erzählen. Und natürlich ist es nicht gern gesehen, wenn man sich ewig mit seinem/seiner Arbeitsplatz-Nachbar*in unterhält, anstatt zu arbeiten, dies ist jedoch hoffentlich für jede*n und in jedem Job selbstverständlich. Wenn man ein besonders hohes Mitteilungsbedürfnis besitzt, kann man dieses jedoch gerne in der gemeinsamen Bildschirmunterbrechungspause im Pausenraum oder in der Mittagspause ausleben.

­Gibt es bei euch Tageslicht?

Es gibt eine Menge Tageslicht. Da wir in der fünften Etage sind und die Wände praktisch fast nur aus großen Fenstern bestehen kann man in der Frühschicht immer sehr schön den Sonnenaufgang und in der Spätschicht den Sonnenuntergang beobachten. Es ist sehr romantisch. ;)

Du hast jetzt auch Lust bekommen, dich in einem Callcenter-Job zu versuchen? Dann haben wir den passenden Job für dich! Bewirb dich jetzt als Kundenbetreuer*in in Essen und sammle viele praktische Erfahrungen in einer interessanten Branche.