Studieren im Gefängnis – Campus hinter Gittern
„Eine Gesellschaft kann nur so sozial sein, wie sie Bildungschancen für jeden ermöglicht“. Diese bekannten Worte von Christian Lindner bekommen eine neue Bedeutung, wenn man an diejenigen denkt, die von der Gesellschaft ausgeschlossen sind, nämlich Insassen im Gefängnis.
Auch sie haben an einigen Justizvollzugsanstalten die Möglichkeit ein Fernstudium, beispielweise an der Fern-Universität Hagen, zu absolvieren. Aber wie läuft das genau ab? Wer finanziert das ganze? Wie stehen die Chancen nachdem die Strafe abgesessenen ist? Und wer darf überhaupt hinter Gittern studieren? Ein Einblick in die Hörsäle hinter Betonwänden und Stahltüren.
Bildung hinter Gittern – the only way out?
Der Wecker klingelt um halb 8, du quälst dich aus dem Bett. Nach der täglichen Dusche schwingst du dich müde auf dein Fahrrad und hetzt zur Uni. Schon in der ersten Vorlesung machst du Pläne mit deinen Freunden, gleich einen Kaffee in der Sonne zu trinken, dann entspannt zur Bibliothek zu schlendern und ein bisschen zu büffeln. Und danach? Naja, eben die studentische Freiheit genießen. Wie soll das alles nun hinter Gittern funktionieren? Richtig, so nicht. Inhaftierte, die studieren dürfen, führen selbstverständlich kein normales Studentenleben. Allerdings unterscheidet sich ihr Aufenthalt in den JVAs erheblich von den anderen. Sie bekommen meistens eine Einzelzelle, damit sie in Ruhe arbeiten können. Da es in den meisten Gefängnissen verboten ist, einen Computer “auf Zelle” zu haben, müssen Extra-Räume zur Verfügung gestellt werden, wo die Studierenden Zugriff auf die Fernstudiums-Materialien haben. In der JVA Würzburg wird dieser Raum “Hörsaal” genannt. Das soll studentisches Flair vermitteln. Dieser Plan geht allerdings nur bedingt auf. All die oben genannten Aspekte, wie der Weg zur Uni und vor allem, das soziale Miteinander, nach der Uni zusammen sitzen und den Tag Revue passieren lassen, all das fehlt. Trotzdem sind sich die studierenden Inhaftierten ihres Privilegs bewusst und sehen es wie Werner, aus der JVA Berlin Tegel, der Zeit Online sagte, Studieren sei das “Beste, was man mit der Zeit anfangen kann”. Auch wenn Haus- und Abschlussarbeiten in der Zelle erst per Hand vorgeschrieben werden müssen, um sie dann später im “Hörsaal” nochmal abzutippen.
Viele von euch fragen sich jetzt sicher, warum Häftlinge überhaupt studieren dürfen. Schließlich kostet ein Studium Geld, welches vom Steuerzahler bezahlt wird. “Der Staat, und somit auch die JVAs haben einen Bildungsauftrag” erklärt Arnd Bartelt, der die Häftlinge in Würzburg betreut, der FAZ. Sie sollten sich bemühen, die Häftlinge bestmöglichst auf das Leben in Freiheit und einen geregelten Tagesablauf zu gewöhnen, so Bartelt. Aber warum gleich ein ganzes Studium? Es gibt schließlich auch andere, meistens handwerkliche Tätigkeiten in den Anstalten, die sich der Resozialisierung widmen. Ein Studium allerdings biete die Chance einen Sinn im Leben zu sehen. “Für viele ist es das erste Mal, dass sie etwas erreicht haben im Leben” erzählt Bartelt. Das soll vor allem verhindern, dass die Häftlinge rückfällig werden und in ihre alten sozialen Verhältnisse zurück rutschen.
“Ich sehe zunächst nicht die Straftat, sondern den Menschen”
Solch ein Studium zieht großen Aufwand mit sich. Nicht viele JVAs sind bereit diesen zu betreiben. Arnd Barteld allerdings schon: er besorgt Fachliteratur, lässt im Copy-Shop Abschlussarbeiten binden, und kämpft um die Erhaltung des Fernstudiums hinter Gittern. Es ist viel Arbeit mit wenig Anerkennung. Warum also der ganze Einsatz? “Ich sehe zunächst nicht die Straftat, sondern den Menschen” begründet Bartelt seine Ansicht. Eine Widmung in einer Bachelorarbeit oder eine Karte an Weihnachten seien bereits eine große Wiedergutmachung für den ganzen Aufwand. Ihm ist der Bildungsauftrag wichtiger als das Urteil, und im Prinzip darf eben auch jeder studieren. Auch Betrüger, Einbrecher und sogar Mörder, wenn sie die Voraussetzungen erfüllen. Das entscheidet ein Gremium aus Psychiatern, Pädagogen und der Anstaltsleitung. Grundsätzlich gilt aber, wer selbst im Gefängnis noch Straftaten begeht, drogenabhängig, aggressiv oder gewalttätig ist, muss zuerst das in den Griff bekommen.
Allerdings führt nicht jedes Studium zum Erfolg. Es gibt immer noch Hindernisse, wie Online-Aufgaben, die wegen schlechten Internetverbindungen nicht erfüllt werden können. Ein weiteres Problem sind auch Pflichtpraktika, die immer häufiger verlangt werden. Diese zu absolvieren ist unmöglich, wenn man nicht unter gelockerten Bedingungen in Haft ist, und man Freigang gewährt bekommt. Dieser Vorzug steht den wenigsten der Gefangenen zu. Bereits die “Studenten” unter den Häftlingen gelten bei den Häftlingen als privilegiert. Anfeindungen gäbe es wenige, die anderen Inhaftierten empfinden eher Respekt, als Argwohn. Vielleicht ist für einige der Aufenthalt in der Anstalt der einzige Grund überhaupt zu studieren. Wie einer der von Bartelt betreuten Häftlingen, der glaubt “in Freiheit wäre ich wahrscheinlich nie zur Uni gegangen”.
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Bilder: OFFFSTOCK/shutterstock.com
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