Aussieben nach sozialen Kriterien. Sprachzertifikate als Bewerbungsvoraussetzung
Auf der Liste der Zugangsvoraussetzungen deutscher Universitäten sind “sehr gute Englisch-Kenntnisse” zunehmend Standard geworden. Doch die Zertifikate sind nicht billig. Oftmals müssen Studenten zusätzlich weite Wege zurücklegen, um eines der Sprachzentren zu erreichen. Ein Studienplatz ist damit noch lange keine Garantie. Vielmehr sieben die Sprachtests aus, sowohl nach Fleiß als auch nach ökonomischen Kapital. Ein Erfahrungsbericht.
Vor etwa vier Jahren, ich wollte meinen Studiengang wechseln, meldete ich mich für einen TOEFL-Test an. Der neue Studiengang wollte nachgewiesen sehen, wie gut mein Englisch wirklich war, obgleich die Unterrichtssprache Deutsch war. Auslandsaufenthalte in den USA oder das Zertifikat des Business English Kurs, das ich an meiner alten Uni bereits erworben hatte, waren in diesem Fall nichts wert. Bewerbungsschluss war bereits in fünf Wochen, die Sprachzentren in München und Umgebung aber leider schon ausgebucht. Der nächstmögliche und örtlich nächste Termin war Östrich-Winkel, ein kleines Kaff mit Elite-Uni in der Nähe von Wiesbaden. Ich tingelte also eines Nachts von München nach Östrich-Winkel. Nachts, da der Sprachtest um 9 Uhr morgens angesetzt war und ich in Östrich-Winkel niemanden kannte, bei dem ich übernachten hätte können. Das Ticket kostete 90 Euro. Einfach. Der TOEFL-Test 245 Euro. Gültigkeit: zwei Jahre. Wer diese Summen auf sich nimmt, meint es ernst. Das müssen sich auch Universitäten gedacht haben, als immer mehr Studiengänge das Englisch Zertifikat in ihre Bewerbungsvoraussetzung aufnahmen.
Vier Stunden PC-Arbeit und unbegrenzte Extrakosten
Der Test dauert den halben Tag. Lesen, Sprechen, Schreiben, Hören. Die Themen sind komplex, die Zeit knapp. Die Atmosphäre in den Räumen der Business School in Östrich Winkel glänzt mit dem Charme eines Call Centers. Die 245 Euro scheinen bis auf den letzten Cent berechnet. Die einführende Ansprache hält ein Computer.
Am Ende des Tages bin ich erschöpft. 85 Punkte verlangt die neue Uni. 120 kann man erreichen. Sollte drin sein, denke ich. Im Schnitt holen Deutsche 96 Punkte. Ich kann das Ergebnis direkt an die Uni schicken lassen. Das ginge schneller. Man könne mir schließlich nicht garantieren, dass mein Ergebnis rechtzeitig fertig sei. Aber eine zweite Kopie koste extra. Bürokratische Hürden haben mich schon immer eingeschüchtert. Ich lasse das Ergebnis also schicken und kaufe selbst noch eine zweite Kopie für 20 Euro.
Das Geschäft mit den Sprachzertifikaten boomt. Neben den 245 Euro Testgebühren haben Teilnehmer einen großen Pool an weiteren Angeboten, die ihnen eine riesige Begleitindustrie bietet. Mit Vorbereitungsmaterialien und Vorbereitungskursen kann man hier Geld in Höhe eines Kleinwagens lassen. Zwar akzeptieren viele Unis auch Zertifikate anderer Anbieter wie Cambridge oder IELTS, doch in den letzten acht Jahren haben sich die Preise aller Institutionen fast verdoppelt. Grund dafür, sagen die Zentren, sind wachsende Infrastrukturkosten in Soft- und Hardware. Die Einnahmen der Sprachinstitute sprechen dagegen eine andere Sprache. 1,3 Millionen Dollar soll der Leiter der ETS (Education testing Service) im Jahr verdienen. Hunderte Millionen beträgt der Umsatz. Dabei gilt die Institution als Non-Profit Organisation und die Zahl der Testteilnehmer wächst weiter an.
Aussieben nach sozialen Kriterien
Doch nicht alle können sich diese Tests leisten. Weniger Betuchte werden bereits nach finanziellen Gesichtspunkten ausgesiebt, indem sie sich nie für einen der Studiengänge bewerben werden, die ein Zertifikat voraussetzen. Offiziell dienen die Nachweise der Qualitätssicherung. Indirekt verstellen sie den Zugang zu Bildung nach sozialen Kriterien.
Mein Ergebnis kam nach drei Wochen mit der Post. 95 Punkte. Zwei Wochen später kam die Absage des Studienganges. In Besitz eines TOEFL-Zertifikats und 445 Euro weniger in der Tasche studierte ich weiter. In den letzten zwei Jahren habe ich es nie wieder gebraucht. Jetzt ist es abgelaufen und ich müsste den Test erneut machen.
Wir von Jobmensa raten euch daher: Informiert euch so früh wie möglich, ob euer Wunsch-Studiengang ein Englisch-Zertifikat voraussetzt und welches akzeptiert wird. Das Cambridge Certificate ist das günstigste vor IELTS und TOEFL. Doch manche Universitäten nehmen auch Zertifikate von universitären Sprachkursen an. Die sind meistens sehr viel günstiger.
Wer nicht um den teuren Test herum kommt, fängt schon mal an zu sparen. Lukrative Jobs findet ihr natürlich wie immer auf Jobmensa.
Bilder: Sergey Mironov/shutterstock.com
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