Als Arbeiterkind an die Uni – kann das klappen?
Es ist ein Zahlenverhältnis, das einen nachdenklich stimmen kann. Zwar machen immer mehr Arbeiterkinder das Abitur, jedoch entscheiden sich unter den Absolventen nur ⅖ der Nicht-Akademikerkinder für ein Studium. Unter den Kindern aus Akademikerfamilien sind es hingegen ⅘. Bei Abiturienten mit ähnlichen Abschlussnoten entscheidet leider oftmals noch der familiäre Hintergrund, welche berufliche Zukunft eingeschlagen wird. Das Mindestziel ist oftmals, den Status der Eltern zu erreichen. Deshalb wählen vor allem Akademikerkinder ebenfalls den Weg in ein Studium. Aber wie kann der Weg für ein Arbeiterkind an die Uni verlaufen? Hier sind drei Beispiele für die unterschiedlichen Lebenswege von Abiturienten, inklusive meinem eigenen.
Kein Studium – sagen die Eltern…
Lisa ist eine gute Schülerin. Sie braucht nicht viel zu lernen und schreibt immer gute Noten. Ihr Abitur macht sie mit einem 1er Schnitt. Freunde und Lehrer rechnen fest damit, dass Lisa ein Studium aufnehmen wird. Doch Lisa entscheidet sich dagegen. Darauf angesprochen blockt sie oft ab, macht Witze, oder argumentiert, eine Ausbildung biete ihr einen eben so guten Einstieg in den Beruf. Dagegen ist absolut nichts einzuwenden. Wäre da nicht die Tatsache, dass Lisa insgeheim sehr wohl gerne studiert hätte. Als sie mit ihren Eltern über ihre Zukunft gesprochen hat, wurde die Option eines Studiums nur kurz diskutiert. “Wir haben doch selber nicht studiert Kind, wir können dir da absolut nicht helfen. Wir könnten uns dein Studium auch gar nicht leisten. Mach doch lieber was Vernünftiges”, waren nur einige der Sätze, die gefallen sind. Lisas Eltern kennen sich mit dem Hochschulsystem nicht aus, sie haben Angst, ihre Tochter könnte untergehen und sie selbst sie nicht angemessen unterstützen. Lisa selbst hat Angst ihre Eltern zu enttäuschen, traut sich nicht zu, ihr Studium allein zu organisieren und möchte mit ihrer Familie nicht brechen. Sie sagt, sie hätte ja schulisch schon viel erreicht, immerhin hat sie das Abitur. Heute arbeitet Lisa als Buchhändlerin. Sie ist nicht unzufrieden in ihrem Job, aber von einem Studium träumt sie noch immer.
Studieren gegen den Willen der Eltern
Bei Ben zu Hause herrscht dicke Luft. In letzter Zeit gerät Ben häufig mit seinen Eltern aneinander. Der Grund dafür ist oft, dass die Eltern keinen Sinn in Bens Studium sehen. Auch die Eltern von Ben waren gegen ein Studium. Für sie sind Studenten faul, Sozialschmarotzer, die mit fast 30 immer noch nichts in die Rentenkasse eingezahlt haben. Bens Eltern haben kein Verständnis dafür, dass er nicht 40 Stunden die Woche arbeiten geht. Dass ihr Sohn im Vergleich zur Schule nur wenig Zeit in der Universität verbringt und viel von zu Hause aus lernt, können sie nicht verstehen und sehen keinen Nutzen darin. Seine Bewerbung auf einen Studienplatz hat Ben ihnen verschwiegen. Als die Zusage dann kam, stellte er sie vor vollendete Tatsachen. Die Tage danach haben sie mit ihm kein Wort gesprochen. In der Folge musste Ben seinen Studienstart komplett allein organisieren. Keiner begleitete ihn zur Immatrikulation, er musste allein herausfinden, wie man einen BAföG Antrag stellt, seinen Platz im Studentenwohnheim hat er sich selbst organisiert. Das Verhältnis zu seinen Eltern hat sich verschlechtert. Ben hat den Kontakt stark reduziert, und wenn er mit seinen Eltern spricht, endet das oft im Streit. Die Eltern werfen ihrem Sohn vor, er wäre arrogant geworden, hätte sich zu sehr verändert. Ben versteht nicht, wie die eigenen Eltern ihr Kind nicht unterstützen können. Im nächsten Semester wird Ben sein Studium beenden. Seine Eltern hat er nicht zur Abschlussfeier eingeladen.
Studieren dank der Eltern
Nun zu mir. Auch meine Eltern sind keine Akademiker, haben kein Abitur. Mein Papa ist Buchhalter, meine Mama arbeitet bei einer Versicherung. Musste ich mich je dafür rechtfertigen, studieren zu wollen? Nein. Aus einer Nicht-Akademikerfamilie zu kommen, bedeutet schließlich nicht, dass die Eltern bildungsfremd sind. Auch bei uns wird viel gelesen und über Politik diskutiert, genauso gut gucken wir aber auch mal eine Castingshow. So wie andere Familien auch. Vor meinem Studienbeginn hat meine Mutter sich im Internet gefühlt mehr informiert als ich. Meine Eltern sind mit mir zu jeder Wohnungsbesichtigung gependelt, wissen immer genau, wann ich welche Klausur schreibe. Vor Bekannten erzählen sie stolz, dass ihre Tochter studiert. Diese Unterstützung war für mich bisher selbstverständlich. Jetzt weiß ich, dass ich mich glücklich schätzen kann. Denn der Weg von Lisa und Ben ist Realität und kein Einzelfall. Viele Abiturienten aus Nicht-Akademikerfamilien beginnen kein Studium, da ihre Eltern kein Verständnis dafür aufbringen oder die finanzielle Belastung fürchten. Oder die Abiturienten selbst trauen sich kein Studium zu. Das ist vor allem deshalb schade, weil so viel Potenzial nicht genutzt wird, und viele ihr eigenes Licht unter den Scheffel stellen. Klar, zu Beginn eines Studiums ist es nicht leicht. Aber das ist es für fast keinen, egal ob Kind aus Arbeiter- oder Akademikerfamilie. Habe ich einen Unterschied zu den Akademikerkindern an der Uni gespürt?
Schon, aber nur einen marginalen. Zu Beginn läuft fast jeder Student an der Uni rum wie Falschgeld. Für Akademikerkinder ist es vielleicht eine größere Selbstverständlichkeit zu studieren, sie drücken sich eventuell anders aus oder der Doktor-Papa liest die Hausarbeit Korrektur. Aber ich bin mir sicher, dass sich die meisten Unterschiede im Studium “verwachsen”. Das Zeug zum Studium haben wir schließlich alle, das haben wir durch das Abi bewiesen.
Wenn ein Kind aus einer Arbeiterfamilie also studieren will, dann sollte es das tun können! Zur Not muss man sich auch gegen die eigenen Eltern durchsetzen, auch wenn das schwer ist. Schließlich geht es um die eigene Zukunft. Unterstützung auf dem Weg zum Uni-Abschluss findest du bei www.arbeiterkind.de. Um dir dein Studium zu erleichtern, kannst du zudem einen Nebenjob annehmen. Die spannendsten Jobs findest du natürlich wie immer bei Jobmensa.
Bilder: shutterstock.com/shutterstock.com
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