Zukunftsangst: Warum Sicherheit heute Alles ist
Erlebt unsere Generation eine neue Biedermeier-Zeit? Wir sind so gut ausgebildet wie nie und haben unzählige Möglichkeiten, doch immer mehr Studenten streben nach ihrem Abschluss vor allem eins an: Sicherheit. Ein sicherer Job, Eigenheim, Kind und Kegel. Das Ziel vom Kindheitstraumberuf verwirklichen? Die große Karriere hinlegen? Sich jeden Monat ordentlich die Taschen vollmachen? Ist für die Absolventen und Studenten von heute alles zweitrangig. Dank Zukunftsangst gilt: Safety first. Was die Studenten sich von ihrer beruflichen Zukunft wünschen und warum wir so ein großes Sicherheitsbedürfnis haben, liest du hier.
Verantwortung? Nein danke.
Im Rahmen unserer Studienreihe Fachkraft 2020, die wir in Kooperation mit der Maastricht University durchführen, haben wir Studenten zu ihren Erwartungshaltungen zum Berufseinstieg befragt.
Das Ergebnis: am wichtigsten ist den Studenten für ihren Jobeinstieg vor allem, dass ihr Arbeitsplatz sicher ist. Ganze 36% der Befragten geben an, dass die Sicherheit ihres Jobs für sie besonders wichtig ist. Der Idealfall: eine Verbeamtung oder ein unbefristeter Arbeitsvertrag in einem großen Unternehmen. Freiberuflichkeit, ein Unternehmen gründen oder von einem befristeten Vertrag in den nächsten: darauf haben die meisten angehenden Absolventen keine Lust. Die große Mehrheit der befragten Studenten möchte später eine Familie gründen, dabei spielt die finanzielle Sicherheit selbstverständlich eine große Rolle. Dafür sind die Studenten auch bereit, in vielen Dingen im Job zurückzustecken. Denn solange das Betriebsklima im Job stimmt, sind Faktoren wie das Einkommen, die Work-Life Balance oder die Aufstiegsmöglichkeiten eher nachrangig. Besonders auffällig: vor Eigenverantwortung scheinen sich die Studenten sogar ziemlich drücken zu wollen. Nur 6% geben an, dass ihnen Verantwortung im Beruf beim Jobeinstieg besonders wichtig sei. Ist ja auch viel bequemer, wenn andere für wichtige Entscheidungen gerade stehen müssen, oder?
Stichwort: Zukunftsangst
Aber womit hängt dieses überhöhte Sicherheitsbedürfnis unserer Generation zusammen? Insbesondere damit, dass die Umstände immer unsicherer geworden sind. Finanzkrise, Weltwirtschaft, Schnelllebigkeit: während sich das öffentliche Leben immer weiter zu beschleunigen scheint und der Arbeitsmarkt wenig vielversprechend erscheint, möchten viele junge Leute ihr privates Leben dafür entschleunigen. Dazu zählt auch ein konservativer Lebensentwurf: ein fester, solider Arbeitsplatz und die Gründung einer kleinen Familie. Bloß keine zu großen Wagnisse eingehen, denn es könnte ja sein, dass man scheitert und in der Masse untergeht. Eigenverantwortung wird so weit es geht vermieden. Denn wer Entscheidungsgewalt besitzt, der muss für eben jene unter Umständen auch die Konsequenzen tragen: dazu sind viele angehenden Absolventen nicht bereit. Da lieber unauffällig im Mittelfeld rumdümpeln und kein Risiko eingehen. Verübeln kann man es unserer Generation nicht wirklich, in unsicheren Zeiten aufzuwachsen prägt. Doch – macht Sicherheit alleine glücklich?
Das Sicherheitsbedürfnis unserer Generation führt dazu, dass von den unzähligen Möglichkeiten, die sich uns bieten, kaum jemand wirklich Gebrauch macht. Die Priorisierung der Sicherheit über der Selbstverwirklichung beginnt bereits bei der Studienwahl.
Die Entscheidung für die Sicherheit fällt bereits im Studium
Nicht ohne Grund erfreuen sich Studiengänge mit vermeintlich gesicherten Jobaussichten wie Lehramt, Jura oder BWL größter Beliebtheit. Auch Ausbildungen im öffentlichen Dienst sind gefragt wie nie. Das Ausleben der eigenen Interessen muss nicht mehr zwingend auch im Job stattfinden, die angehenden Absolventen flüchten sich da lieber ins Privatleben, wo es so schön bequem und kuschlig ist. Und einem hoffentlich nichts passieren kann.
Dabei ist diese Einstellung oftmals ein Trugschluss. Nicht nur, dass heutzutage in beinahe keinem Beruf mehr eine absolute Jobgarantie besteht. Wer seinen Job nur aus reinem Mittel zum Zweck ausübt, unterliegt dem Risiko, chronisch gelangweilt oder gestresst von seinem Beruf zu sein und psychisch darunter zu leiden. Eine chronische Unzufriedenheit lässt sich dann bei bestem Willen nicht mehr im Privatleben völlig kompensieren. Klar, ziellos einfach etwas zu studieren, dass sich einfach exotisch und spannend anhört, ist keine Alternative. Es müssen auch nicht alle von uns die totalen Karrieros werden. Doch vielleicht sollten wir uns wieder ein bisschen mehr darauf besinnen, was uns interessiert und wobei wir uns ernsthaft vorstellen können, ein ganzes Leben lang diesen Beruf ausüben zu können. Denn mit dem richtigen Maß an Ehrgeiz und Zielstrebigkeit lässt sich in jedem Berufsfeld viel erreichen und somit auch der Traum von einer Familie verwirklichen. Außerdem braucht nicht nur unsere Gesellschaft, sondern auch unsere Wirtschaft junge Leute, die vorweg gehen und den Mut für neue Ideen haben. Eine gesunde Mischung aus Sicherheit und Selbstverwirklichung, das wäre doch mal was, oder?
Du möchtest die Ergebnisse der Fachkraft 2020 Studie im Detail nachverfolgen? Einen dezidierten Artikel dazu findest du hier.
Bilder: Lolostock /shutterstock.com
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